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Beiträge
zur
Geschichte der Familie Farenheid.
Von
Georg Krueger,
Oberlehrer am Kneiphöfischen Stadtgymnasium.
Beilage zum Programm des Kneiphöfisehon Stadtgymnasiums zu Königsberg i,Pr.
Ostern 1900.
Königsberg i. Pr.
Hartungsche Buchdruckerei.
1900. Progr. Nr. 9.
Vorwort.
Di
r ie Hauptquelle für die vorliegende Abhandlung,
welche mit dem Tode des Kriegsrats von Farenheid abschliesst,
sind die Angerapper Gutsakten; leider erschwert der augen-
blickliche Zustand derselben eine sachgeraässe Ausbeute.
In einzelnen Fällen konnte ich das Material der dort ab-
handen gekommenen Aktenstücke durch die Urkunden des
hiesigen Königlichen Staatsarchivs ergänzen; doch war
auch dieses ebenso häufig ausgeschlossen. Für die ältere
Zeit kamen in Betracht einige Stammbücher, die auf der
hiesigen Stadtbibliothek aufbewahrt werden, die genea-
logische Tabelle Gallandis in der A. M. Sehr. XIX, S. 181,
deren Angaben durch die Kirchenbücher der hiesigen
.Domkirche teilweise erweitert und berichtigt werden
konnten, und einige Urkunden aus dem Archiv der Königs-
berger Kaufmannschaft. Für die rein biographischen An-
gaben habe ich ohne jedes Bedenken benutzt das Buch des
verstorbenen Pfarrers Rogge: Geschichte des Kreises und
der Diöcese Darkehmen, und vor allem die kleine von dem
Schöpfer der Beynuhner Kunstsammlung Fritz von Faren-
heid verfasste Schrift: Friedrich Heinrich Johann von
Farenheid.
Herrn von Farenheid-Beynuhnen, der mir in liebens-
würdigster Weise die Durchforschung des Angerapper
Archivs und die Einsicht in wichtige Familienpapiere ge-
stattete, spreche ich an dieser Stelle dafür meinen ver-
bindlichsten Dank aus.
Königsberg, März 1900.
Georg Krueger.
Uie Farenheids sind ein seit Jahrhunderten in
Ostpreussen ansässiges Patriziergeschlecht; sie scheinen
um 1500 aus Rostock nach Königsberg eingewandert zu
sein, sind fast ausnahmslos bis zur Mitte des 18. Jahr-
hunderts Vertreter des Kaufmannstandes und bekleiden
vielfach die ehrenvollen Ämter eines Ratsherrn, Gerichts-
verwandten oder Kirchenvorstehers im Kneiphof.
Ich muss darauf verzichten, die Vertreter der Fa-
milie hier anzuführen, von denen weiter nichts als der
Name und die Lebensdauer festzustellen ist, und be-
schränke mich auf die Erwähnung derjenigen Farenheids,
über die uns die vorliegenden Quellen wenigstens etwas
mehr berichten.
1550 beauftragte Bernhard Farenheid (geb. 1514,
gest. 1551) Christoph Jan von Weissenfeis mit der Abfassung
einer Chronik des deutschen Ritterordens und verewigte
sich in der Einleitung derselben, „um als ein Liebhaber
der Historien hierin erkannt zu werden. ltl )
Von seinem Enkel Bernhard, geb. 22. Februar 1548,
gest. 20. April 1610, Ratsherrn des Kneiphofs, hat das
Stammbuch des Reinhold Schleinius nachstehende Wid-
mung erhalten:
Ex curis virtus, ex vir tute gloria.
Virtute et industria.
Doctissimo omniumque virtutum genere ornatissimo
Do. Reinholdo Schleinio, amico et fratri carissimo, in
perpetuam sui memoriam haec paucula scripsi.
Warsowiae 17 die Martis Ao. 1597.
Bernhardus Farenheidt Boruss.
1) Vergl. Altpreussische Monatsschrift V, S. 144, 249 u. 250.
— 6 —
In demselben Stammbuch findet sich ein Andreas
Farenheid, über den sonst nichts bekannt ist.
Penes quem est virtus et omnia adsunt bona.
Haec pauca doctissimo omnique virtutum genere
dignissimo Do. Reinholdo Schleinio scribebat in sui rae-
moriam, amico ac populari suo carissimo
Andreas Farenheid ßorussus. 1597. Juni 13.
Barbara Farenheid, getauft am 11. November 1587,
Tochter des zuletzt genannten Bernhard, schreibt 1611
dem Dr. Ahasverus Schmidtner ins Stammbuch:
„Zeitlich vergenglich. prechtig 1 ) ohnmechtig. Nichtig
und flüchtig
falsch unaufrichtig. Schedlich betrüglich
die Menschen sindt auff Erden
durch schön wort falsch geberden
Ihr viel betrogen werden
Auff menschen dich verlasse nicht
Stell nur auff gott dein Zuversicht
So wirdt dein sach wohl recht gericht.
dies hab ich meinen
lieben gutten freundt
Ahasverus Schmidtner
zum stedtgen gedechtniss
geschrieben.
Barbara Fahrenheidin."
Dieselbe Barbara erscheint noch einmal in dem
Stammbuch des Christophorus Schmidtner.
„Gott verlest die Seinen nicht.
Diss schreibe ich zum gedechnüs3 meinem lieben
Bruder Christof Schmitener ao. 1633 den 9 augusti
Barbara Fahrenheidin."
Ihr jüngerer Bruder war Constantin Farenheid, Ge-
richtsverwandter des Kneiphofs, vermählt am i. Dezbr. 1625
mit Anna, Tochter des Ratsherrn Sigismund von Werth,
gest. Juni 1660. Nach einem Stammbuch von ihm lässt
1) = hochmütig, hoffärtig.
— 7 —
sich feststellen, dass er als Jüngling, wohl zu seiner kauf-
männischen Ausbildung, sich längere Zeit im Auslande
aufgehalten hat, so in Oxford 1613, in Paris 1614 und
1615, in Strassburg 1615 und 1616, in Nürnberg 1616.
Aus der Reihe der Stammbuchblätter sind leider nur die
nachstehenden zwei wert abgedruckt zu werden. Das zweite
enthält zufälliger Weise noch eine ganz besonders spezielle
Angabe über eine Reise, die Constantin Farenheid mit
dem Schreiber des Stammbuchblattes unternommen hat.
Nihil altuis ascendit operosa humilitate.
Aedifico non diruo.
Hoc perpetui amoris tui monumentum iuveni nobili-
tatis, morum et eruditionis ornamentis praeclarissimo
Do. Constantino Farenheidtio amico meo pluribus nomi-
nibus colendo adscripsit Oxoniae Academiae Anglorum
florentissimae Decembr. 23. Anno salutis 1613.
Nathanel Carpenter, Anglo.
Oxoniensis Colleg. socius.
Peregrinemur ut apes non ut araneae. 1 )
Haec iucunda recordationis et familiaritatis tessera
meritissimo ac virtutum omni genere maxime conspicuo
Do. Constantino Farenheid, (quicum per omnem septentri-
onalem Angliam ad intima Scotiae penetralia profectus
fui) adposita fuit a me
Antonio Oleviano*
Londini, 4. Augusti 1614.
Eine Namensunterschrift von Constantin Fahrenheid
aus dem Jahre 1626 finden wir in dem Willkürbuch der
Kneiphöfischen Kaufmannszunft.
In derselben Urkunde sind verzeichnet aus dem Jahre
1617 Reinhold Farenheid (unbekannt) und Friedrich
Fahrenheid (geb. d. 30.Decbr. 1586, gest. d. 26. Febr. 1625,
vermählt mit Barbara Büttner) und aus dem Jahre 1631
Hieronymus Fahrenheid (gest. d. 30. Sept. 1667).
1662 wird ein Farenheid als Stiefsohn des Schöppen-
meisters Rhode erwähnt. 2 )
1) Verschrieben: aranes.
2) Vergl. Pr. Pr. El. IX, 243.
— 8 —
Bis zum Anfang des 18. Jahrhunderts lassen uns J
jetzt die Quellen in Stiche; um diese Zeit wird auch der
genealogische Zusammenhang der Familienmitglieder un-
sicher, so dass aus diesem Grund von der Herstellung
einer übersichtlichen Stammtafel Abstand genommen
werden musste.
Reinhold Farenheid.
Das Geburtsjahr ist nicht festzustellen, das Todes-
jahr ist 1736, die Publikation seines Testamentes erfolgte
am 11. Juni 1736. Er war dreimal vermählt.
Seine erste Gemahlin (Hochzeit am 30. August 1700)
war Katharina, des Joachim Smit, Kaufmanns im Kneip-
hof, Tochter, geb. 17. Oktober 1683, gest. 4. November
1705. Dieser Ehe entsprossen drei Kinder: Reinhold (der
spätere Kommerzienrat), Catharina Elisabeth (vermählt mit
Hofrat Seil) und Regina Charlotte (vermählt mit Tribun ais-
rat Grube).
Am 14. April 1709 verheiratete er sich zum zweiten
Male mit Anna Eleonora Lübeck (geb. d. 27. September
1678, gest. d. 7. März 1710), der Tochter des verstorbenen
Bürgermeisters des Kneiphofs. Dieser Ehe entspross
Melchior Friedrich, geb. d. 25. Februar 1710; bei seiner
Taufe waren als Gevattern zugegen: Friedrich Lübeck,
Negotiant, Georg, Schuhmachermeister, Frau Bürger-
meister Lübeck. 1 )
Die dritte Ehe schloss 3r am 26. Februar 1713 mit
Loysa Adelgunda, Tochter des Königlichen Hofrats und |
Oberappellations-Gerichtssekretarius Samuel Seil. Dieser
Verbindung entspross eine Tochter, Adelgunda Loysa, geb.
10. Oktober 1714. Bei ihrer Taufe waren als Gevattern
zugegen: Jacob Zetzcke, Hof und Jagdrat, Frau Adelgunda
Seil, Hofrätin, Frau Marie Dorothea Höpner, Geheim-
sekretärin. 2 ) Auch die dritte Gattin verlor er schon nach ]
kurzer Zeit, 1716 oder 1717.
Reinhold Farenheid legte am Anfang des 18. Jahr-
1) Die beiden ersten Ehefrauen Farenheids wurden auf dem
Kirchhof an der Südseite des Doms bestattet. Dort befand sich
bis 1810 noch ein Erbbegräbnis mit folgendem Epitaphium:
Katharina Schmidt starb 1705 d. 4. Nov. und Anna Eleonora geb.
Lübeck starb d. 7. März, Ehefrauen von Eeinhold Fahrenheid.
Vgl. Gebser, Geschichte der Domkirche zu Königsberg, S. 281.
2) Vergl. S. 12.
— 9 —
hunderts einen Teil seines Vermögens in ländlichem Grund-
besitz an 1 ) und erwarb in den Jahren 1710 bis 1720 nach
und nach mehrere, damals durch die Pest wüst gewordene,
kleinere kölmische Güter im Kreise Gumbinnen und ver-
kaufte dieselben 1622 an den Domänen-Kammerpräsidenten
und Geheimrat Matthias Christoph von ßredow.
Zu der ßegüterung gehörte „das kölmische Gut
Puspern, 2 ) jiebst einer Kruggerechtigkeit und den dazu
gehörigen Äckern, Wiesen, Wäldern und Triften, sowohl
in den Dorfesgrenzen, als auch in Sonderheit bei Klein
Schröterlauken und in der sogenannten Warnien, die
Wassermühle zu Kl. Schurschienen, ferner das Dorf Klein
Schurschienen mit allen dabei befindlichen kölmischen
und Bauernäckern, Wiesen und Wald, nebst freiem Bau-
holz zu des Dorfes Notdurft, das Vorwerk Ipatlauken mit
allen und jeden Pertinenzien, der sogenannte Münchowsche
Krug im Dorfe Kattenau nebst seinen Äckern und Wiesen,
ingleichen der See Dumbeln und das Chatoulland bei
Grieben, sowie das kölmische Gut in Pruszischken."
Die Handelsbeziehungen Reinhold Farenheids er-
streckten sich über die Ostgrenze unserer Provinz weit
ins Grossherzogtum Lithauen hinein. Nicht immer war
es ganz gefahrlos, jenseits der Grenze kaufmännische Ge-
schäfte persönlich abzuschliessen, wenigstens ersieht man
aus dem folgenden Fall, dass Reinhold Farenheid nahe
laran war, dort sein Leben einzubüssen. 3 )
Am 13. Dezember 1724 wandte sich der Tribunalsrat
3ell an den König mit der Anzeige, dass sein Schwieger-
vater, der Gerichtsverwandte Reinhold Farenheid, zu Nowo-
1) Vergl. Urkunden der Familie Käswurm in Puspern und
Königl. Staatsarchiv E. M. 55, d. k.
2) Das Hauptgut Puspern erhielt nun nach seinem Besitzer
3en Namen Gr. Bredow. Bei dem Versuch die auf der Pusperer
ßegüterung noch existierenden altpreussischen oder lithauischen
Örtsbezeichnungen (wie Pakladim, Padugnis, Warninn, Noszeris)
etymologisch zu erklären, lässt sich F. Hoppe, Altpr. M. Sehr. XII,
p. 556 durch die Analogie von Brödlauken, Brödballen, Pabre-
lubjei dazu verleiten, die Namen Bredow und Bredauen auf bredis,
Elent, Hirsch zurückzuführen. Vergl. Lucanus, der Staat Preussen,
liusführliche, geographisch-historische und politische Beschreibung
8. 201. „Die Domänenämter Grumbkowkaiten, Lesgewangminnen
pnd Bredauen führen ihre Benennung von den Wirklichen, Ge-
heimen Etats- und Kriegsräten von Grumbkow, von Lesgewang
and von Bredow. Lesgewangminnen hiess vordem Antakminnen,
Bredauen hiess Cassuben.
3) Kgl. Staatsarchiv, E. M. 91, 11.
— 10 —
grodeck, wohin er sich seiner Geschäfte halber habe
begeben müssen, als eben das lithauische Tribunal
daselbst abgehalten wurde und folglich ein jeder alle
Sicherheit gemessen sollte, von den Polen auf grausame
Art traktiert worden sei. ,,Wenn dieses unerhörte Ver-
fahren — heisst es in der Eingabe wörtlich weiter —
dem mit der Krone Polen und dem Grossfürstentum
Lithauen aufgerichteten und beschworenen pactis publicis
ganz offenbar entgegen ist, so bitte ich allerunterthänigst,
Ew. Majestät wolle in Gnaden geruhen, und zwar ob sum-
mum in mora periculum auf das allerschleunigste ein nach-
drückliches Intercessionale 1 ) ergehen zu lassen, damit mein
Schwiegervater nicht nur seines ungebührlichen Arrestes
entlassen, sondern auch wegen der Gefahr der weiteren
Anfälle mit genügender Eskorte bis an die Grenze des
Königreichs Preussen gebracht werden möge." 2 )
1) Randbemerkung: „Nach meiner Meinung wird man wohl
auch einen Intercessional schreiben und dem Supplikanten
schleunigst helfen müssen."
Dieses in einer Abschrift auf dem hiesigen Königl. Staats-
archiv vorhandene Intercessionale, welches die Befreiung Rein-
hold Farenheids aus seiner Haft herbeiführte, lautet: Relatum
accepimus, Dominum Farenheid, spectatissimum huius civitatis
iudicis assessorem, indigno plane modo ibidem locorum tractatum
et arresto demum oneratum esse. Quod cum pactis, quae inter
regnum Poloniae magnumque Ducatum Lithuaniae et Regnum
Borussiae intercedunt, publicis maximo adversetur, quippe quae
ex Borussia in Lithuaniam profectos iniuria affici vel ibidem
conveniri et arrestari vetant, sed eos, qui contra ipsos actionem
quandam habere putant, ad locum domicilii remitti iubent, il-
lustrissimas atque perillustres Dominationes vestras hisce enixe
rogamus, ut in temerarios pactorum transgressores graviter anim-
advertant, dictumque Dominum Farenheid libertati restituant
eique omnem ubique securitatem cum debita satisfactione praestent,
quo securus ab omni ulteriore iniuria patrios repetere lares possit.
Petimus hoc ipso nil nisi quod aequum et pactis consonum est,
quare etiam non speramus, sed confidimus quoque, fore ut desi-
derio huic nostro locus relinquatur. Quod reliquum est, illustrissi- i
mas atque perillustres Dominationes vestras divinae tutelae per-
quam diligenter commendatas cupimus.
2) Folgender Brief schildert Umstände, unter denen die Ver-
haftung erfolgte. Der Schreiber ist offenbar ein Geschäftsfreund
des Hauses Farenheid.
Monsieur Farenheid de chez vous est ä Nowogrodeck pour
son malheur, il y est en arreste par plusieurs seigneurs qui
pretendent de lui satisfaction pour plusieurs choses. S'il en
echappe avec la vie, ce sera un grand bonheur; il lui en coütera
beaucoup d'argent. La poste prochaine nous saurons ce qui sera i
passe. Nous apprenons par un homme qui est venu de Nowo-
- 11 —
Eine Namensunterschrift von Reinhold Farenheid
vom 21. Juni 1731 findet sich unter den leges der Kneip-
höfischen Kaufmannszunft.
Nach seinem Testamente (datiert 23. und 26. De-
zember 1734) sollte seine jüngste Tochter Adelgunda Loysa
entweder 40000 Gulden oder die Hälfte seiner Hinter-
lassenschaft nach eigener Wahl erhalten, seine beiden
Söhne Reinhold Friedrich und Melchior Friedrich, von denen
der ältere damals wohl schon selbstständiger Kaufmann, der
jüngere Student der Rechte war, sollten sich mit je
x /4 des väterlichen Vermögens begnügen. Die beiden ver-
heirateten Töchter sind in dem Testamente nicht bedacht.
Noch bei Lebzeiten des Vaters (1731) sah sich Mel-
Ichior Friedrich genötigt, gegen seinen Onkel, den Stadtrat
I Lübeck 1 ) (Bruder seiner am 7. März 1710 verstorbenen
Mutter), der sein mütterliches Erbe seit 1713 verwaltete,
die Hilfe des Gerichts anzurufen, weil dieser ihn nach den
Vormundschaftsrechnungen um mindestens 15000 fl. ge-
kürzt hätte. 2 ) Er bat, die Entscheidung in diesem Streit-
fall nicht der zuständigen Behörde, dem Königsberger
Magistrat, zu übertragen, weil nicht allein der Bürger-
meister, sondern auch die meisten Magistratsmitglieder
nebst dem Sekretarius dem Stadtrat Lübeck mit ganz
naher Schwägerschaft oder Blutsfreund schaft verwandt
wären, sondern an eine Kommission zu verweisen, als
deren Mitglieder er zu bestätigen bat: Tribunals- und Hof-
gerichtsrat von der Groeben, Tribunals- und Stadtrat
Dr. Grube, Stadtrat Dr. ßoltz, Hofgerichtssekretarius
Thegen. Statt Dr. Grube schlug er kurze Zeit darauf vor
den Hofrat Dr. Berent zu wählen, da der erstere „sich
in diesen Tagen mit seiner Schwester ehelich versprochen."
Als diese vom Könige eingesetzte Kommission zu Gunsten
Melchior Friedrichs entschieden hatte, wandte sich der
Magistrat beschwerdeführend an den König und machte
geltend, dass der Studiosus Farenheid die Verweisung der
ganzen Angelegenheit an die erwähnte Kommission „aus
der ungegründeten Ursache erbeten und durchgesetzt,"
grodeck que le dit Farenheid a &t& extremement maltraitä et que
si le Starosta Meretzky n'avait ete" k son secours avec sa garde
qu'il aurait 6te massacre\ Si Dieu nons fait la gräce de vivre,
nous en verrons la fin.
1) Vergl. S. 8.
2) Kbg. Staatsarchiv E. M. 80, e.
2*
— 12 —
als ob alle Mitglieder des Magistrats nahe Freunde und
Anverwandte des Stadtrats Lübeck wären, dass er hingegen
nicht zwei Personen aus dem Magistratskollegium namhaft
machen könne, die dem Stadtrat Lübeck mit so naher
Freundschaft verwandt seien, dass sie dadurch dem Rechte
nach zur Abnahme seiner Vormunds-Rechnung nicht ad-
mittiert werden könnten. Der König verwies nun den
Rechtsstreit vor das Forum des Magistrats, der zu Gunsten
Lübecks entschied; auch das Oberappellationsgericht schloss
sich dem Urteil der ersten Instanz an. Auf die Beschwerde
Melchiors beim Könige verlangte dieser die Einsendung
der Akten und entschied schliesslich diesen Streit in der
Weise, dass er Melchior, der inzwischen die Stellung eines
Sekretarius erlangt hatte, den Anspruch auf einen Teil
der strittigen Summe zuerkannte.
Melchior Friedrich wurde im Jahre 1738 vom Könige
zum Hofrat ernannt und erhielt „die Adjunktion des Ober-
sekretarius Behrend"; auch war er Mitglied des collegium
sanitatis.
Auch die jüngste Tochter Adelgunda Loysa zeigte
der Behörde im Jahre 1735 an, 1 ) dass ihre beiden Vor-
münder Joh. Heinrich Felbinger und Anton Schultz in so
vielen Jahren (wahrscheinlich seit dem Tode ihrer Mutter,
also seit etwa 18 Jahren) keine Vormunds-Rechnungen
über die ihr von den Grosseltern und von der Ge-
heimrätin Höpner zugefallenen Erbschaften abgelegt hätten,
und bat den Lizentsekretarius und Gerichtsadvokaten
Classenius zu ihrem Kurator zu bestätigen.
Reinhold Friedrich Farenheid, Stadtrat und
Kommerzienrat.
Er wurde 1703 geboren, war vermählt mit Johanna
Lovisa von Hoffmann und starb am 14. Oktober 1781.
Durch sein kaufmännisches Genie erwarb er ein kolossales
Vermögen. 2 ) Es ergab sich aus seinen Handelsbüchern,
dass er in den Jahren 1749—1758 allein jährlich zwischen
1500 — 2000 Last Salz nach dem Grosshei zogtum Lithauen
verkauft oder gegen andere Produkte umgetauscht hatte. 3 )-
Während der Okkupation Ostpreussens durch die
1) Kgl. Staatsarchiv, E. M. 61 b.
2) Friedrich Heinrich Johann von Farenheid, eine bio-
graphische Skizze, S. 4.
3) Vergl. Pr. Pr. ßl. IX, S. 410.
— 13 —
Russen soll er durch Armeelieferungen seinen Wohlstand
begründet haben. 1760 wurde er zum Stadtrat gewählt.
Am 25. April 1763 ernannte der König ihn wegen
seiner Urschicklichkeit, seiner Wissenschaft und Kenntnis
von Kommerziensachen und Handlungsgebräuchen, sowie
seiner Redlichkeit zum preussischen Kommerzienrat mit
Sitz und Stimme im Kommerzienkollegium. Diese Aus-
zeichnung war damals also mehr als die Verleihung eines
blossen Titels und war mit der Übernahme einer Reihe
von Pflichten verknüpft, auf deren genaue Erfüllung der neu
ernannte Kommerzienrat vom Könige ausdrücklich hinge-
wiesen wurde. „Absonderlich muss er den Versammlungen
des Commerzien-Colegii fleissig beiwohnen und über die
daselbst vorkommenden Sachen nach vorgängiger reifer
Erwägung derselben sein Votum schriftlich oder mündlich,
wie es die Umstände erfordern, nach wahrem Recht, un-
parteiisch und pflichtmässig, prompt abgeben und seines
Orts mitbefördern helfen, dass die bei dem Commerzien-
Collegio vorkommenden Sachen ohne Umstand sobald als
es immer möglich verabschiedet und die Parteien darunter
nicht aufgehalten werden, wie er denn auch auf Vorschläge,
welchergestalt unser preussisches Commerzium und die
Manufakturen etwa zu verbessern sein möchten, zu denken
und solche dem Commerzieü-Collegio zu eröffnen hat, da-
mit dieses alsdann mit Unserer Kriegs- und Domänen-
kammer darüber konferieren und uns nach Befinden davon
Bericht abgestattet werden könne."
„Es charakterisiert die damalige Zeit, dass die
Königsberger Kaufmannschaft, um sich seiner Alleinherr-
schaft auf dem Meere und den Handelswegen zu entziehen,
Hilfe suchend vor Friedrich den Grossen trat, der wiederum
von seinem Allmachtsstandpunkte aus zu Gunsten dieser
ron Reinhold Farenheid die Beschränkung seiner weiten
äinflussreichen Handelsbeziehungen verlangte und ihm so-
mit die Lebensader seiner geistigen Existenz zerschnitt.
Er legte nun seine Handelsgeschäfte ganz nieder, da er
nit dem Verluste der geistigen Arbeit ein jedes Interesse
? ür diese Beschäftigung verloren hatte." 1 )
,, 1) Es ist mir nicht gelungen, für diese aus der eben citierten
Mshnft von Fritz von Farenheid entnommene Angabe, die ohne
Zweifel auf einer Familientradition beruht, weder aus den Akten
ler hiesigen Kaufmannschaft, noch aus den Urkunden des Kgl.
Staatsarchivs Beläge herbeizubringen.
— 14 —
Die Einfachheit und Strenge dieses Mannes gegen sich
selbst, die Milde und das Wohlwollen gegen seine Nächsten
waren allgemein bekannt. Auf Anregung Kanters steuerte
er 2000 Thaler zu einem Fonds bei, aus dem die Reise-
kosten für fähige, junge Leute bestritten werden sollten,
welche im Philanthropinum in Dessau sich mit der Lehr-
methode vertraut machen wollten. 1 ) In seinem Testamente 2 )
vermachte er dem Magistrat ein Kapital von 6000 Gulden
mit der Bestimmung, die Zinsen zum Schulgeld für recht
arme, hilflose Kinder zu immer währenden Zeiten zu ver-
wenden, ohne im geringsten auf den Stand, Geschlecht und
Verwandtschaft zu reflektieren. Ferner bestimmte er, dass
sogleich nach seiner Beerdigung an die ausserhalb der
Hospitäler und Stifte lebenden Armen der Stadt 1000 Gulden
unverkürzt auszuzahlen seien, einem so viel, wie dem
andern. Der Königsberger Generalarmenkasse vermachte
er 2000 Gulden, jedem Angestellten seiner Handlung 5 )
200 Gulden, und jedem übrigen bei seinem Heimgange in
seinen Diensten stehenden Mann oder Frau 100 Gulden.
Seine edelste Wohlthat, die er den Armen und Be-
dürftigen erwiesen hat, ist die Begründung des nach ihm
benannten Armenhauses, welches er für ewige Zeiten mit
reichen Mitteln dotierte. Am 10. Oktober 1764 stiftete
er mit einem Kapital von 50000 Gulden das Farenheid
sehe Armenhaus, in welches nach der Stiftungsurkunde
„Arme beiderlei Geschlechts, alte und junge, so auf den
Strassen betteln gehen, und die wegen ihrer Jugend unc
Kränklichkeit durch ihrer Hände Arbeit sich nicht völlig
ernähren können, aufgenommen und und mit gesundei
Kost und Trank notdürftig unterhalten werden ^ sollen
Diese eingenommenen Armen sollen uns nicht müssig sein
sondern durch nähen, stricken, Wolle oder Garn spinnen
auch zu ihrem Unterhalte etwas beitragen."
Der König bestätigte die Verschreibung des neuei
Armenhauses unter dem 7. April 1768 und fügte „zu dei
~ 1) Pr. Pr. Bl. 1850, S. 248.
2) Abschrift in den Angerapper Gutsakten.
3) Diese Bestimmung hat sicherlich keine praktische Aus
führung erhalten. Kommerzienrat Farenheid hatte sich schOJ
1778 wegen seiner immer zunehmenden Kurzsichtigkeit, die es ihi
schwer machte, selbst seinen Namen zu unterzeichnen, vollständi;
von seinen Geschäften zurückgezogen und seinem Sohn, dei
Kriegsrat Farenheid, General- und Spezialvollmacht erteil
(Angerapper Gutsakten.)
— 15 —
hochherzigen Stifters Bedingungen noch eigenmächtig solche
hinzu". Er bestimmte, dass die auf dem Rossgarten ge-
legene, ehemalige Löbenichtsche Zieglerwohnung nebst
dem kleinen Hause unweit davon und dem ganzen dazu
gehörigen Platz, der der Königsberger Stadtkämmerei ge-
hörte, unentgeltlich von der Stadt freigegeben und ge-
schenkt werden sollte. „Alle schandbaren Missethäter,
Diebe, Spitzbuben, oder die bereits in Scharfrichters Händen
gewesen, sollen von der Aufnahme in dieses Armenhaus
gänzlich ausgeschlossen bleiben. Die auf der Strasse, in
den Häusern auf Bettelei betroffenen Armen sollen durch
Überführung in das Armenhaus zur Arbeit gewöhnet
und angeführet und ihnen Mittel und Wege gezeiget
werden, mit ihrer Hände Arbeit ihr eigenes Brot zu ver-
dienen. Deshalb soll ihnen, wenn sie sich dennoch nicht
zur Arbeit und Fleiss bequemen wollen, wozu sie nach
Beschaffenheit ihres Körpers und der Gesundheit aufgeleget,
vorerst etwas an Speise und Getränken entzogen, wenn
aber ihre ßoshaftigkeit und Halsstarrigkeit zu gross,
sollen sie mit härteren Mitteln und Ausschliessung aus
dem Armenhause bestraft werden." Nach der Begründung
des Armenhauses übernahm es Kommerzienrat Farenheid,
noch sämtliche Kosten, welche der Bau der Anstalt ver-
anlasst hatte, zu entrichten, so dass die 50000 Gulden ohne
allen Abzug nur zur Unterstützung der darin Auf-
zunehmenden dienen konnten.
Am 31. Mai 1788 schenkte der Sohn des hochherzigen
Stifters, Kriegsrat von Farenheid 1 ) das ihm aus der väter-
lichen Hinterlassenschaft zugefallene Haus, Kneiphöfische
Hofgasse, Servisnummer 296, dem Armenhause „zu mehrerer
Aufnahme und Unterstützung".
Als der Magistrat einige Zeit darauf über die Schen-
kung des Kapitals, das bis dahin mit 6 pCt. verzinst
worden war, ein Dokument zu haben wünschte, fügte
Kriegsrat von Farenheid aus eigenen Mitteln noch 10000
Gulden zur Schenkung hinzu und erklärte sich bereit, das
ganze Kapital, 60000 Gulden, am 15. December 1791 dem
Magistrat abzuzahlen. Ausserdem schenkte er, als Ersatz
1) Die Geschichte des Farenbeidschen Armenhauses, soweit
die Familie des Stifters dabei beteiligt ist, soll an dieser Stelle
bis zum Tode des Kriegsrats von Farenheid im Zusammenhang
fortgeführt werden.
für die zukünftig in Wegfall kommenden Zahlungen für
Holz- und Lichtbedarf, die ihm gehörigen Häuser Sack-
heim 91 und 111 mit einer jährlichen Miete von 166rthl.
dem Armenhause zum uneingeschränkten Eigentum. An
diese beiden neuen Schenkungen knüpfte er jedoch die
Bedingungen, dass es ihm und seinen Nachkommen immer
vorbehalten bleiben sollte, vier Stellen in dem Armenhause
mit Personen zu besetzen , die sich nach seiner oder
seiner Nachkommen Meinung qualifizierten. Ferner ver-
langte er, dass es ihm und seinen Nachkommen freistehen
sollte, sich von Zeit zu Zeit über die jedesmalige Ver-
fassung und Verwaltung des Armenhauses Auskunft zu er-
bitten, und insoweit eines oder das andere dabei nicht
zweckmässig scheinen sollte, den Magistrat um Abände-
rung desselben zu ersuchen, falls aber dem Antrage wider
Vermuten nicht entsprochen würde, sich höheren Orts
deshalb zu verwenden.
Die in Aussicht gestellte Zahlung des Kapitals wurde
nicht geleistet, der Magistrat erklärte sich vielmehr mit
einer auf Angerapp für das Armenhaus eingetragenen
Hypothek für hinreichend gesichert. Als indes im Jahre
1809 Kriegsrat von Farenheid um die Genehmigung bat,
das in Angerapp eingetragene Kapital nach der Über-
nahme dieses Gutes durch seinen Sohn auf Beynuhnen zu
transferieren, konnte sich der Magistrat nicht dazu ent-
schliessen, „die aus der Milde des Herrn Kommerzienrat
Farenheid zum besten der Armen gestifteten, auf die
Angerapper Güter sicher eingetragenen 20000 rthl., gegen
eine schlechtere Stelle auf den Beynuhner Gütern zu ver-
tauschen. "
Am 22. Dezember 1830 machte der Magistrat den
Vorschlag, das dicht an der städtischen Krankenanstalt
gelegene Armenhaus zur Erweiterung der Krankenanstalt
zu benutzen, und das Armenhaus nach dem Gebäude Sack-
heim 25, Kalkscheune genannt (bis dahin Garnison-Lazarett
des 3. Inf.-Rgts.), zu verlegen. Das in Vorschlag gebrachte
Haus liess Kriegsrat von Farenheid auf seine bauliche
Beschaffenheit durch seinen Sohn untersuchen und er-
klärte sich auf dessen eingehenden Bericht mit der Ver-
legung der Anstalt unter der Bedingung einverstanden, dass
vorher gewisse bauliche Veränderungen zu Gunsten der
Bequemlichkeit der Insassen vorgenommen würden.
Die Übersiedelung erfolgte am 31. Mai 1831.
— 17 —
Von ganz besonders einschneidender Bedeutung für
das weitere Schicksal der Familie Farenheid war die
Sicherung des Vorkaufsrechtes auf die Angerapper Be-
güterung, die Kommerzienrat Farenheid 1762 für seinen
noch unmündigen Sohn erwarb. 1 )
Es erschien mir von Wichtigkeit, die Geschichte des
Gutes Angerapp, mit der der Name Farenheid seit mehr
als 130 Jahren auf das engste verknüpft ist, nach den
dort vorhandenen Gutsakten zusammenzustellen.
Von der Mitte des 15. bis gegen Ende des 16. Jahr-
hunderts waren die Grafen von Schlieben die Besitzer fast
sämtlicher Güter der Ämter Nordenburg und Gerdauen.
Ohne Zweifel haben sie auch Teile der späteren Ange-
rapper Begüterung besessen.
Am 19. November 1618 vertauschte mit Bewilligung
des Kurfürsten Johann Sigismund der Landrat und Haupt-
mann auf Angerburg Wolf von Kreytz sein Dorf Krappel-
nau, 40 Hüben gross, im Amte Osterode gelegen, gegen
die Dörfer Kl. Medunischken, Stawischken, Kl. Szabienen
und Plimballen im Amte Insterburg gelegen, insgesamt
64 Hüben 18 Morgen samt der Kirche (Szabienen). Der
Kurfürst verschrieb ihm die Dörfer zu magdeburgischen
Rechten und erliess ihm mit Rücksicht auf den grösseren
Nutzungswert des eben vertauschten Krappelnau 600 Mark
hinterstellige Erbgelder und 77 fl. erblichen Zins. Er ver-
lieh ihm, seinen Erben und Nachkommen das Kirchenlehen
zu Szabienen, wie auch die Botmässigkeit über die Krüge zu
Kl. Szabienen, ingleichen frei Brennholz aus der Mintischen
Heide oder den sonst daselbst gelegenen landesherrlichen
Wäldern zu Hof- und Feuersnotdurft, aber nicht zu verkaufen;
daneben freie Viehtrift, wied die Mühle zu Szabienen samt
dem Ober- und Mühlenteiche, und den See Szabienen nebst
einem Moosbruch „so an Kl. Szabienen und das Vorwerk
Angerapp und ein unurbarer, ausgeschlagener Ort ist."
Am 12. Juni 1619 verkaufte Wolf von Kreytz diese
Dörfer an seinen Schwiegervater, den kurfürstlichen
Regimentsrat und Kanzler Christoph von Rapp, der be-
reits vorher das Vorwerk ^Bischunen (Angerapp) käuflich
an sich gebracht hatte. Über ein Jahrhundert waren die
Güter im Besitz der Familie Rapp.
Am 9. Mai 1673 nach dem Tode des Oberstwacht-
1) Vergl. S. 21.
— 18 —
meisters Christoph von Rapp 1 ) fiel der Besitz, bestehend
aus den Angerapper Gütern (62 Hufen), dem Gut Sargen
(19 Hufen) und Jodschin (4 Hufen), laut Erbvertrag
zwischen der Witwe des Verstorbenen, Agnes Catharina
Rapp geb. v. Oehnhausen, und den Söhnen Johann Fried-
rich, Melchior und Christoph an Joh. Friedrich Rapp für
den Preis für 50300 Mark preussisch.
Am 19. Februar 1704 verkaufte Carl Ehrenreich Rapp
die Begüterung (99 Hufen 28 Morgen gross) an seinen
ältesten Bruder, den Leutnant Johann Christoph Rapp
für 99933 fl. Der Wert eines Pferdes wird in dem
damals angefertigten Inventarienverzeichnis auf 10 — 12 fl.,
der eines Rindes auf 10 — 15 fl., einer Last Haber auf
15 Groschen, einer Last Gerste auf 24 Groschen, einer
Last Korn auf 1 fl. angestellt.
Im Frühjahr 1710 starb Joh. Christoph Rapp, ohne
männliche Erben zu hinterlassen, weshalb die Güter laut
Erb vertrag vom 14. März 1710 auf den nunmehrigen
ältesten Bruder Carl Ehrenreich Rapp übergingen. Die
Witwe des Verstorbenen Dorothea Charlotte geb. Budden-
brook erhielt bei'der Erbregulierung 17000 fl. polnisch
ausgezahlt und musste sich verpflichten, binnen 4 Wochen
die Güter zu evakuieren und nichts an ihren meubles zur
Beschwerde des Herrn Lehnsbesitzers demselben auf dem
Halse zu lassen. Während der Pestjahre verloren die
Angerapper Güter nach der persönlichen Angabe des Be-
sitzers über 600 Menschen und durch Viehseuche eine
grosse Menge Vieh. Im Herbst 1712 ging auch ein
treffliches Vorwerk, dessen Scheunen alle gefüllt waren,
unvermutet in Flammen auf, wodurch der Besitzer einen
Schaden von 15 000 fl. erlitt. Im Jahre 1726 kamen die
Güter zum Konkurse. Das Gutachten des Kammerver-
wandten Böhm entwirft ein trübes Bild von den damaligen
Zuständen. „Vorwerk Angerapp (9 Hufen), Gr. Szabienen
(5 Hufen), Paulsdorf (11 Hufen) liegen ganz wüst und
sind ohne Besatz; der Acker ist steinicht, schlecht und
sehr verwachsen. Vorwerk Skupowen ist ganz wüst, und
ist nicht Stock noch Stiel darauf, Vorwerk Sargen ist
von allem Besatz entblösst (zusammen 15 Hufen). Das
Dorf Sodarren hat 9 Hufen, davon liegen ganz wüst
1) An ihn erinnert jetzt noch eine Wetterfahne auf einem
Wirtschaftsgebäude, die] die Jahreszahl 1652 und das Zeichen
C. v. R. trägt.
— 19 —
6 Hufen. Jotschin hat 4 Hufen, ist abgebrannt,
ausser einem Gärtnerhäuschen sonst nichts befindlich
und liegt ohne Besatz, ganz wüste, hat nichts ge-
sät, sondern hat Vieh zur Weide angenommen. Stibirchen
und Kl. Szabienen haben 16 Hufen, wovon wüst liegen
4 Hufen, Dorf Kl. Medunischken hat 27 Hufen, wovon 13
wüst sind. Von dem ganzen, 96 Hufen grossen Besitz
liegt also die Hälfte des Ackerlandes wüst, wozu noch
9 Hufen Wald kommen, aus denen dieses abgelegenen
Ortes wegen nichts zu machen ist. Sind verschiedene
Teiche vorhanden, welche wohl Fische geben möchten,
allein sie erfordern auch grosse Reparation, angesichts
die Dämme verfallen, die Gräben auch die Teiche an sich
selbst verwachsen und zu reinigen sind. Die Hofgebäude,
also auch die Dörfer und Vorwerke, welche noch Gebäude
haben, sind durchgehends miserabel, die Wiesen sind
allenthalben verwachsen, die Gräber verschlemmt, alle
wüsten Äcker verwachsen, nur 1 / 2 Schock Kühe vorhanden,
während 3 1 / 2 Schock gehalten werden möchten. Wenn
diese Güter in vollkommnen Stand, wie sie vor alters ge-
wesen, sollen gesetzt werden, sind selbige schwerlich unter
12 bis 15000 fl. einzurichten."
Aus dem Konkurse erstand der Studiosus Christian
Wilhelm von Lau, Kornet in dem Markgraf Albrechtschen
Regiment, die Begüterung am 17. Mai 1728 für den Preis
von 8000 Thalern.
Bei der Übergabe bemerken die Generalbevoll-
mächtigten des Käufers, dass es grosse Mühe kosten wird,
die zu entrichtenden Lasten aufzubringen da in den Gütern
„pro nunc das meiste annoch wüst." Sie stellen vor, wie
der Acker grösstenteils verdröschet, die Hof- und Bauern-
gebäude verfallen, die Mühle baufällig, die Krüge,
worunter der zu Jodtschin, gar nicht gebauet, „vielmehr
daselbst eine elende, nicht zehn Thaler wert seiende
Pauern-Kiffe stehet." Sie bitten zum Schluss ihres Be-
richtes, dass „ihnen amtlich möge nachgegeben werden,
sofort Besatz zu schaffen und das allernotwendigste an
den Hof- und Pauerngebäuden zu rektifizieren und grösseren
Schaden zu verhüten."
Nach der 1732 aufgenommenen Personen tabelle lebten
auf dem über 90 Hufen grossen Komplex, abgesehen von
den vier neu angezogenen Familien und mit Ausschluss
der Kirchen- und Schulbeamten nur 250 Personen.
3*
— 20 —
Der neue Besitzer hob durch rationelle Bewirt-
schaftung, sowie durch den Bau der notwendigen Gebäude
den Wert der Begüterung derart, dass derselbe nach 45 Jahren
fast auf das Zehnfache zu stehen kam. In den Jahren
1730— 1740 baute er das Hauptgut Angerapp vollständig
neu auf; das von ihm erbaute Herrenhaus, das Admi-
nistratorhaus, das Brenn- und Brauhaus, sowie mehrere
massive Wirtschaftsgebäude stehen heute noch.
Der Landgerichtsrat Lucanus aus Insterburg erzählt
um das Jahr 1750 in seiner Schrift über Preussens ur-
alten und heutigen Zustand p. 666 folgendes:
„Angerapp, vormals adliger Rittersitz der von Rapp,
jetzt der von Lau an der Angerapp, die ihm auch den
Namen verleihet hat. Sowohl das Wohnhaus, als die
Stuben und Ökonomie-Gebäude sind alle neu, geraum und
sehr ansehnlich aufgeführt, daraus man den schönsten
Prospekt in den grossen, etwas niedrig angelegten Garten,
welcher mit den rarsten Bäumen und Gewächsen be-
pflanzet ist, wie auch in die Allee eines dahinter liegen-
den dicken Fichtenwaldes haben kann. . . . Übrigens
liefern die Angerappschen Teiche die herrlichsten und
delikatesten Karpfen, denen an Grösse und Geschmack
selten andere Karpfen beikommen, wie denn hier Stücke
von etlichen 20 Pfund gefangen werden."
Die Rechte des neuen Besitzers auf die Begüterung
wurden übrigens schon nach kurzer Zeit von dem Kapitän
Samuel von Polentz angefochten, welchem der König 1734
„die Anwartung auf die Angerapper Begüterung ge-
schenkt" hatte. Es kam ein Yergleich zu stände, nach
welchem Kapitän von Polentz seinen Ansprüchen gegen
eine Zahlung von 8000 fl. entsagte, worauf der König am
12. Dezember 1737 dem Rittmeister von Lau die ganze
Begüterung zu adlich-kölmischen Rechten verlieh.
Es erhielten damals die adlige Qualifikation: das
Dorf Medunischken (27 Hufen 12 Morgen), das Vorwerk
Paulsdorf oder Stawischken (11 Hufen 8 Morgen), das
Dorf Szabienen (16 Hufen 20 Morgen), das Dorf Plimballen
oder Sodarren (9 Hufen 7 Morgen) und die Mühle Sza-
bienen. Ferner sollten zu dem neu geschaffenen Allodium
gehören: der Ober- und Mühlenteich und der See Sza-
bienen nebst einem Moosbruch, wie auch alle Krugge-
rechtigkeit und freie Viehtrift, frei Bau- und Brennholz
auf gebührliche Amtsanweisung aus der Mintischen Heide
— 21 —
oder andern daselbst gelegenen landesherrlichen Wäldern
zu Feuersnotdurft für den Besitzer und seine Leute, aber
nicht zu verkaufen, desgleichen das Kirchenlehen zu
Szabienen, die Strassen und andere Gerichte, gross und
klein, mit allen Freiheiten, Gerechtigkeiten und Herrlich-
keiten. Dahingegen sollte der Rittmeister von Lau, seine
Erben und Erbnehmer, auch die jedesmaligen Besitzer
dieser Güter nicht allein den darauf geschlagenen General-
Hubenschoss, sondern auch für diese durch Versetzung
der Güter aus dem Lehen ins Erbe angediehene Gnade
den Allodifikations-Kanon mit 15 Groschen von der Hufe
und 10 Thaler 9 Groschen an Vererbungszins an die Ober-
steuerkasse jährlich entrichten, aber aller übrigen Ur pflichte
und Beschwerden, als vom Zinse, Servis- und Fourage-
geldern und wirklicher Einquartierung gänzlich befreit sein.
Durch das Testament 1 ) des Rittmeisters von Lau
vom 9. April 1750 fielen die Güter an seinen Halbbruder,
den Kurfürstlich- Sachsen -Meiningenschen Hofrat Johann
Jacob von Hoffmann.
Mit Bewilligung der übrigen Erben 2 ) erwarb sie nun
Kapitän Jacob Friedrich von Hoffmann aus dem Nach-
lasse seines Vaters für 37000 Thaler, verpflichtete sich
aber, seinem damals noch unmündigen Neffen, dem späte-
ren Kriegsrat von Farenheid, bei erlangter Grossjährigkeit
die Güter für den Kaufpreis und Erstattung der Meliora-
tionskosten zu überlassen. Er cedierte diesem infolge
1) Bei seinem Begräbniss sollen keine Glocken geläutet
werden, nichts desto weniger aber die Glocken bei der
Schlosskirche, in dem Löbenicht und auf dem Sackheim in Königs-
berg bezahlt werden, als ob sie wirklich geläutet worden. Seine
Leiche soll in Szabienen in aller Stille beigesetzt werden. 1000 Thaler
sollen auf den Angerapper Gütern in perpetuum als zinsbares
Kapital stehen und mit 5% verzinst werden. Diese Zinsen dürfen
allein zu Bauten und Reparaturen an der Kirche, den Pfarr- und
Schulgebäuden verwandt werden. Die Zinsen von 100 Thalern
zu 6%, die gleichfalls unablöslich einzutragen sind, sollen jährlich
unter die Hospitaliten des Angerapper Hospitals verteilt werden.
2) Hofrat Johann Jacob von Hoffmann
1. Kapitän Jacob Friedrich von Hoffmann, vermählt mit
geb. von Reichenbach.
2. Regina Wilhelmina vermählt mit Kammerdirektor von
Boerstell.
3. Wilhelmina Regina vermählt mit Kammerherrn, Haupt-
mann Baron von Oberländer.
4. Johanna Lovisa, vermählt mit Kommerzienrat Farenheid.
— 22 —
dessen durch den Vertrag vom 24. April 1773 die gänzlich
schuldenfreie Begüterung, bestehend aus Hof und "Vorwerk
Angerapp, den Vorwerken Sodargen, Paulsdorf und Zargen,
den Bauerndörfern Medunischken, Stibirchen und Scupowen,
dem Kirchdorf Szabienen, dem Kruge Szabienen, dem
Kruge Jotschin nebst Mühle und Ziegelscheune, dem Deutsch-
manDSchen Kruge für 75000 Thaler vom 1. Juni 1773. Bei
der vierzehn Tage später erfolgten Übergabe fehlen folgende
in dem Cessionsinstrument zu übergebenden Besitzstücke:
1. 286 Kühe, welche von dem Vorbesitzer mit 6 Thlr.
45 Gr. pro Stück vergütet werden,
2. 30 Bienenstöcke, ersetzt mit 1 Thlr. 30 Gr.
3. die nach dem Inventarium abzutretenden Schweine,
Schafe und das Federvieh, wovon nichts vorhanden,
werden vergütet in Summa mit 71 Thlr.,
4. bei der Aussaat ergiebt sich ein zu ersetzendes
Quantum im Werte von 137 Thlr. 37 Gr.
Johann Friedrich Wilhelm von Farenheid,
Kriegs- und Domänenrat,
wurde am 17. Februar 1747 zu Königsberg als einziger
Sohn des Kommerzienrats Farenheid geboren und sollte
auf des Vaters Wunsch nach vollendeten Studien die
Civilcarriere einschlagen. Die Ruhraesthaten Friedrichs
des Grossen erweckten jedoch in ihm das glühende Ver-
langen, in die Armee zu treten; vergebens waren die
Warnungen und Drohungen des Vaters; der Sohn Hess
sich heimlich bei den schwarzen Husaren anwerben. Der
Vater, auf das äusserste erzürnt, wollte sein einziges
Kind enterben und sein grosses Vermögen wohlthätigen
Anstalten und dem staatlichen Interesse zuwenden. Alle
Bitten und Vorstellungen der Freunde und Verwandten
prallten an der eisernen Natur des Mannes ab, bis end-
lich im entscheidenden Augenblick das energische und
überwältigende Auftreten seiner Schwägerin, der Baronesse
Oberländer, 1 ) seinen starren Sinn brach, die väterlichen
Gefühle wieder erweckte und dem Sohne endlich Verzeihung
erwirkte. Nur mit Mühe und vornehmlich durch die Be-
mühungen des befreundeten Generals von Lossow konnte
der Sohn von seinen übereilt eingegangenen Verpflich-
tungen befreit werden. 2 )
1) Vergl. S. 21, Anm. 2.
2) Nach Fritz von Fahrenheids Schrift.
— 23 —
Bald darauf begann der junge Farenheid mit Eifer
seine Vorbereitung für seinen Beruf als Verwaltuugs-
beamter, bestand 1770 das Staatsexamen und wurde noch
in demselben Jahre dem Kriegs- und Domänenrat bei der
lithauischen Kammer in Gumbinnen überwiesen. Am
4. August 1770 unterzeichnete er bereits als Mitglied der-
selben die VerschreibuDg eines zum Gute Kieselkehmen
gehörigen Bruches. 1 ) In Gumbinnen vermählte er sich mit
Friederike Amalie Austin, der Tochter des Kriegs- und
Domänenrats Austin, der zugleich Besitzer des Gutes
Kieselkehmen war. Von den vier aus dieser Ehe ent-
sprossenen Kindern starben ein Sohn und zwei Töchter
schon im zarten Alter, nur der älteste Sohn, Friedrich
Heinrich Johann, geb. 11. März 1780, blieb am Leben.
Auch seine treue Gattin verlor er bereits vor dem Jahre
1809. Vom Jahre 1774—1779 war er Kriegsrat bei der
Königsberger Kammer, trat dann aus dem Staatsdienst
aus und widmete von nun ab seine ganze Kraft der Be-
wirtschaftung seiner ausgedehnten Begüterung.
Durch das Zusammentreffen einer Reihe von günsti-
gen Umständen nahm am Ende des 18. Jahrhunderts die
gesamte Landwirtschaft in der Provinz Preussen einen
ganz ausserordentlichen Aufschwung. Die französischen
Kriege gaben dem englischen Handelsverkehr mit dem
Festlande eine vollkommen veränderte Gestalt. Grosse
Ländergebiete sahen sich infolge der Kriegsereignisse von
den gewohnten Handelsverbindungen ausgeschlossen, und
andere, bisher weniger beachtete Gegenden, wie unsere
Ostseeprovinzen, fanden durch die Getreide- und Vieh-
lieferungen für Heere und Flotten neue Absatzwege.
Ferner begünstigten die eben gegründeten landschaftlichen
Kreditinstitute, die lange Friedenszeit und die durch neue
Wirtschaftsmethoden erreichte Verbesserung des landwirt-
schaftlichen Betriebes das Aufblühen der preussischen
Landwirtschaft ganz ausserordentlich. Die Folge davon
war, dass man vertrauensvoll die disponiblen Kapitalien
in ländlichen Hypotheken anlegte. Andrerseits trugen die
Käufer keine Bedenken, selbst mit geringen Mitteln und
mit Übernahme von grossen Schuldenlasten vorteilhafte
Gutskäufe abzuschliessen, weil sie mit Bestimmtheit auf
die Fortdauer dieser günstigen Verhältnisse rechneten. 2 )
1) Akten der hiesigen General-Landschafts-Direktion.
2) Vergl. Karl Käswurm, Über die Entstehung und den
- 24-
So erwarb auch Kriegsrat von Farenheid eine grössere
Anzahl von Gütern, zunächst in unmittelbarer Nähe von
Angerapp, später auch im Gerdauer und Wehlauer Kreise,
einige Güter in Polen und in Westpreussen die 11 Quadrat-
meilen grosse Herrschaft Flatow, deren Kaufpreis 308 9 1 3 Thlr.
betrug. Zu ihr allein gehörte die Stadt Flatow, 15 Vor-
werkshöfe, 19 Bauerndörfer, 6 Wassermühlen, 1 Papier-
mühle, 2 Schneidemühlen; zusammen 747 Feuerstellen.
Sein Besitz in Ostpreussen umfasste um 1806 beinahe
5 Quadratmeilen und reichte von der Südseite des
Darkehmer bis zur Mitte des Wehlauer Kreises. 1 ) Die
"Verbindung der Güter war an einzelnen Stellen unterbrochen;
schon aus diesem Grunde muss die noch heute vielfach
verbreitete Ansicht, Kriegsrat von Farenheid hätte von
Angerapp bis Königsberg reisen können, ohne die Grenzen
seiner Besitzungen zu überschreiten, als irrig bezeichnet
werden.
Am 2. Oktober 1786 erhob der König ihn in Kück-
sicht seiner bisher geleisteten treuen Dienste in den
erblichen Adelstand. Als jedoch 12 Jahre später auf
Vorschlag des Ministers von Schroetter ihm die Er-
hebung in den Grafenstand angetragen wurde, lehnte er in
seiner Bescheidenheit diese Standeserhöhung ab. Der
Brief, den er über diese Angelegenheit an seinen Schwager
den Kriegsrat von Gerhard auf Kuglacken schrieb, ist so
charakteristisch für seine Denkungsart, dass ich ihn hier
veröffentliche. 2 )
„Wahrlich, mein lieber Freund, die Gesinnung meines
alten Gönners, des Ministers von Schroetter, rührt mich,
und es ist natürlich, dass man in sich einen nicht ge-
kannten Wert sieht, wenn man von solchen geprüften,
grossen Menschen sich nicht vergessen sieht. Was aber
die Äusserung seines Wohlwollens anbetrifft, so muss ich
dir mit Herz und Mund bekennen, dass ich auch nicht
den mindesten Sinn für diese Standeserhöhung habe.
Helfen kann mir der Graf nicht, wohl aber würde er
tausend Inkonvenienzen für mich und meinen Fritz mit
sich führen. Da er dem männlichen Alter nahe ist, 3 ) so
gegenwärtigen Bestand der landwirtschaftlichen Vereine in der
Provinz in A. P. M. Sehr. II, S. 156.
1) Vergl. das Güterverzeichnis auf S. 41.
2) Von Farenheids eigenhändige Abschrift befindet sich
im Besitz' des Herrn von Saucken-Tarputschen.
3) Er war damals 19 Jahre alt.
— 25 —
habe ich es für billig gehalten, ihm die Sache mitzuteilen
und es hat mir unendliche Freude gemacht, sein Urteil
mit dem meinigen so ganz übereinstimmend zu finden.
Er bat mich recht angelegentlich, doch ja den Grafen von
ihm abzuwenden. Das Glück des menschlichen Lebens
besteht nicht darin, dass ich der erste in der Gesellschaft
bin, den ersten Platz bei Tisch, gemeinhin bei einer alten
Matrone habe. Mein lieber Freund, je höher der Rang,
desto kleiner der Zirkel, zu dem ich gehöre, und unter
den Wenigen ist immer schwerer zu wählen, also auch
weniger Freunde — und wahrlich, dieses ist der erste
Genuss. Denke Dir einmal, wie viele Freunde würden
sich von mir zurückziehen. Als blosser Edelmann ge-
niesse ich alle Vorteile und Freiheiten des Grafen,
entgehe aber manchem Zwange . . . Übrigens zeigt auch
schon die Natur, dass die durch Kunst des Gärtners ge-
triebenen Früchte den Geschmack nicht kraftvoll be-
friedigen, noch weniger stärken, ich will also doch das
jugendliche Holz des Edelmannes zur Reife kommen
lassen, ehe eine sogenannte edlere Frucht auf dasselbe
gepfropft wird. Halte dieses nicht für Spott, es ist nur
die Sprache, die der Mund von 100 führen würde. Ich
habe jetzt schon Neider, um wieviel würde die Zahl der-
selben vermehrt werden. Also, mein lieber Gerhard,
werde ich an Schroetter nicht schreiben, sage ihm aber,
dass ich ganz auf seine Gewogenheit rechnete und darauf
die Abwendung der Verlegenheit baute, eine soche Gnade,
wenn sie einmal öffentlich erklärt wäre, dennoch ab-
zulehnen."
Eine der edelsten Thaten dieses seltenen Mannes
auf socialem Gebiet ist die Aufhebung der Erbunter-
thänigkeit auf seiner Gnieer Begüterung. Das erlösende
Wort, das König Friedrich Wilhelm III. in der Ver-
ordnung vom 28. Oktober 1807 aussprach: „Auf meinen
sämtlichen Domänen soll schlechterdings keine Hörigkeit,
Leibeigenschaft, Erbunterthänigkeit oder Gutspflicht vom
1. Juni 1808 an stattfinden" hatte Kriegsrat von Fahren-
heid bereits 9 Jahre vorher in die That umgesetzt. Am
15. Oktober 1799 schrieb sein Sohn an ihn: „Dass Sie
mit der Loslassung der Gnieer Bauern ans der Erb-
unterthänigkeit den Anfang gemacht haben, war unter
mehreren anderen Gründen auch wohl darum gut, weil
sie von ihrer erlangten Freiheit auch wohl den besten
— 26 —
Gebrauch zu machen verstehen. Gern will ich es glauben, j
lieber Vater, dass Sie wegen dieser guten Handlung von!
vielen verdammt und missdeutet werden. Allein dieses |
wird Sie nicht müde machen, gutes zu thun. Das Christen- 1
tum stürzte die Sklaverei und machte die Menschen!
besser. Die christliche Religion wird auch die Erb unter- ]
thänigkeit heben, als einen Rest des römischen Heidentums." 1
Am Anfang des 19. Jahrhunderts stand Kriegsrat ;
von Farenheid auf dem Höhepunkt seines Glückes. Er
war ohne Zweifel der reichste Mann der Provinz und der 1
angesehenste Landwirt. Ausgezeichnet durch den Adel
seiner Gesinnung, die Leutseligkeit seines Herzens, aber
auch durch eine unbeugsame Willenskraft, mit der er zu-1
weilen die ganze Wucht seiner Persönlichkeit einzusetzen
wusste, hat dieser edle Mann lange Jahre zum Wohle |
unserer Provinz segensreich gewirkt. Seine gewaltige
Aufgabe, die Verwaltung des mächtigen Besitztums in ge-
ordneten, streng vorgezeichneten Bahnen zu erhalten, hat
er mit Ernst und fachmännischem Verständnis gelöst. Er
darf als Bahnbrecher rationeller Landwirtschaft in Ost-
preussen bezeichnet werden; sein Beispiel hat in erster
Linie zur Beseitigung der veralteten Dreifelderwirtschaft
und zur Verbesserung des Wirtschaftssystems beigetragen.
„Ich habe schon — so schreibt er 1784 an von Schubart 1 ) —
3 Landwirte in meiner Gegend, welche mit allem Ernst
das Werk angreifen und mit der Futtervermehrung den
Anfang machen wollen. Vielleicht zieht unser Beispiel
mehr nach sich. Künftigen Sommer teile ich alle meine
Güter in 6, wo es sein kann in 7 Felder ein. Die grösste
Schwierigkeit, in unserm Lande die Brache abzuschaffen,
ist, dass unsere Instleute die Erlaubnis haben, eine Kuh,
ein Stück Jungvieh, drei bis vier Schafe, 2 Schweine und
eine Zuchtgans zu halten, welche sie nach unserem bis-
herigen Gebrauch auf der herrschaftlichen Brache Sommer
über geweidet. Wenn nun die Brache eingeht, wo bleiben
die ? . . . . Ich habe in diesem Herbst bei jedem meiner
Vorwerke einen Luzernengarten bereiten lassen; Esparsette
werde ich gar wenig anbringen können, aber Klee werde
1) Schuhart von dem Kleefeld, Herzogl. Sächsischer Geheim-
rat auf Würchwitz bei Zeitz, hatte als erster mit den alten
Prinzipien gebrochen und den künstlichen Futterbau auf seiner
Begüterung eingeführt. Kriegsrat von Farenheid hatte ihn 1783
besucht.
— 27 —
ich fleissig in meinen Gerstenfeldern aussäen; ich mache
mit dieser Post eine Bestellung bei Sperbach in Leipzig
von 17 Ctr. Klee, 10 Ctr. Luzerne, 2 Ctr. Esparsette, das
sind 29 Ctr. Futterkräuter und wird doch einen Anfang
geben." Im nächsten Jahre schickte er zwei von seinen
Vorarbeitern nach Würchwitz, damit dieselben sich aus
eigener Anschauung über den Anbau und die Ernte der
neuen Futtermittel unterrichten und die gewonnenen
Kenntnisse auf seinen Gütern verwerten und verbreiten
sollten. Das Verzeichnis der Punkte, über die sich
die beiden Leute bei Schubart Aufklärung verschaffen
sollen, beweist das tiefe, eingehende Verständnis,
welches von Farenheid sich in der kurzen Zeit seiner
Thätigkeit als Gutsbesitzer von dem landwirtschaftlichen
Betriebe erworben hatte; seioe Beamten sollen dort nach
seinem Wunsch Kenntnisse sammeln über die Behandlung
der Gewächse, welche zur Yermehrung und Verbesserung
der Fütterung dienen, das sind roter Klee, Luzerne, Es-
parsette, Burgunder Rüben und die grosse Kartoffel,
Helianthus tuberosus. Ferner sollen sie erlernen die
Fütterung des Rindviehs, in Sonderheit der Schafe im
Sommer mit grünem Futter, die Fütterung des Milchviehs
im Winter mit Beihilfe von Burgunder Rüben und Kar-
toffeln, den Bau der Öl- und Kohlsaat, den Anbau und
die Behandlung des grossen Hanfs, den Gebrauch der neuen
Ackerinstrumente, hauptsächlich des Kultivators, der Egge,
der Walze und des Wiesenhobels.
Auch zur Veredelung der ostpreussischen Pferde-
und Rindviehzucht hat Kriegsrat von Farenheid die ersten
Schritte gethan. 1788 beauftragte er den Stallmeister
Kuhn in Dresden mit dem Ankauf von geeigneten Hengsten
aus den ungarischen oder siebenbürgischen Gestüten. Aus
der Korrespondenz mit diesem ergiebt sich, dass er auch
schon vorher edle Pferde zu Zuchtzwecken für Angerapp
und Gnie angekauft hatte. Er war es auch, der zuerst in
Preussen die hohe Bedeutung des englischen Vollblut-
pferdes für die Zucht warmblütiger Pferderassen erkannte
und kein Opfer scheute, hervorragende Zuchttiere seinem
in Angerapp begründeten Vollblutgestüte zuzuführen. 1 ) Im
Jahre 1803 liess er durch seinen Sohn in England für
40000 Thaler edle Pferde und Rindvieh ankaufen; damals
1) VergL Settegast, Erlebtes und Erstrebtes, S. 71. S. ver-
Iwechselt hier den Kriegsrat von Farenheid mit seinem Sohn.
— 28 —
kamen die Vollbluthengste Buzzard, Hocka-Pocka und
Trumpator, sowie verschiedene edle Stuten nach Angerapp.
1807 Hess von Parenheid das Gestüt nach Memel bringen.
So beherrschte von Farenheid alle Zweige des land-
wirtschaftlichen Betriebes mit gleicher Sachkenntnis und
war darum wie kein anderer dazu berufen, seine warnende
Stimme zu erheben, als im Jahre 1805 unsere Provinz
unter dem Druck von Armeelieferungen schwer zu leiden
hatte. Von Gnie aus richtete er im Dezember dieses
Jahres an den Erbamtmann von Schlieben auf Schloss
Gerdauen folgendes Promemoria:
„Jetzt, da von neuem die Verpflegung der Armee 1 )
auf 8 Monate der Provinz angedeutet wird, ist es die
höchste Zeit, den oberen Behörden zuerst, und wenn diese
darauf keine Rücksicht nehmen sollten, des Königs Ma-
jestät höchster Person den bedenklichen und wahrlich
traurigen Zustand der Provinz vorzustellen. Das Land ist
in einen grossen Mangel nicht nur für die Gegenwart
versetzt, sondern hat fürs künftige Jahr noch traurigere
Aussicht.
1. Wegen des ungünstigen, kalten und nassen Sommers
ist der Ertrag unserer Äcker, Wiesen und Gärten nur
mittelmässig gewesen und dürfte sich gegen das vorige
Jahr wie 2 zu 3 verhalten.
2. Selbst das Gewonnene ist nicht von der Kraft und
Güte, daher auch das Getreide nicht das volle Gewicht
enthält und das Futter nicht gedeihlich ist.
3. Die eingetretenen Kriegsunruhen haben hierzu
noch mehr beigetragen. Beim Ausbruch derselben nach
dem 23. September war man noch mit der Ernte des
Sommergetreides und Grummets und der Bestellung der
Wintersaat beschäftigt und wurde darinnen unterbrochen
durch den Abgang so vieler Arbeiter und Pferde, indem
die Beurlaubten, Knechte und Trainpferde ausgehoben
wurden; hierauf folgte unmittelbar die Getreide- und
Mehllieferung wegen fehlender Kriegsmagazine und die
Fouragelieferung für Kavallerie und Train. Der Landmann
musste sein übriges Getreide und Grummet im Felde
1) Ein starkes Corps unter Generalleutnant von Rachel,
der sein Hauptquartier in Drengfurt hatte, war in der Umgegend
von Angerburg und Darkehmen zusammengezogen und sollte
einem russischen Detachement den Durchmarsch durch Ost-
preussen verwehren.
— 29 —
verderben lassen, unter Exekution für die Lieferung
dreschen und bei den entsetzlichsten Wegen, da es nicht
hielt, noch brach, unter Schnee und Regen mancher 10 bis
12 Meilen die Lieferuüg in die Depots verfahren, dorten
3 bis 6 und mehr Tage mit seinen Pferden unter blauem
Himmel die Abnahme abwarten, seine Gesundheit und
einen Teil seiner Pferde durch Kälte, Nässe und Hunger
einbüssen.
4. Dieses wäre vermieden, wenn die Lieferungen
nicht in solchen grossen Quantitäten, sondern in geteilten
Posten ausgeschrieben wären. Dann wäre die Herbei-
schaffung nicht so drückend gewesen teils des Dreschens,
teils des Transportes wegen, und die Lieferanten hätten
geschwinder abgefertigt werden können. Auch hätten sich
für geringere Quanten an Getreide, Mehl, Heu und Stroh
eher Räume gefunden, anstatt dass jetzt bei der grossen
Menge das auf dem Transport durch Regen, Schnee und
Kot durchnässte Getreide, Heu, Stroh . . . verdorben ist.
Diese Quantitäten hat das Land mit saurer Mühe und
Entbehrung hergegeben, die Armee nicht genossen, also
ist das Ganze verloren. Dieses ist ein unersetzlicher
Schade fürs Land, welches bereits seinem Bedarf bei der
ersten Lieferung so viel hat entziehen müssen, dass
mancher seine Vieh- und Schafstämme sehr einschränken
und dem übrig behaltenen sehr eingeschränkte Rationen
hat bestimmen müssen und dennoch in Ungewissheit ist,
ob er alles, falls das Frühjahr spät eintreten sollte, durch-
bringen werde Die hohen Preise jeder Getreide-
sorte, der Kartoffeln, des Heus, des Strohs, ohngeachtet
des Verbots der Getreideausfuhr und des daher cessierenden
Aufkaufs der Kaufleute an den Märkten, geben den
sichersten Beweis des Mangels im Lande.
5. Noch weit bedenklicher aber ist die Aussicht für
das Jahr 1806 und 1807. Denn die nasse Herbstwitterung
hielt die Bestellung der Wintersaat auf, die dazwischen
eintretenden Lieferungen unterbrachen sie und brachten
sie gar an manchen Orten zum Aufhören. Daher ist
kaum die Hälfte zu rechter Zeit und gut, ein Teil schlecht
und ein grosser Teil garnicht bestellt. Was für eine
Ernte ist also im künftigen Sommer zu erwarten? Wo
wird die Saat hergenommen werden, um die gewöhnlichen
Sommerfelder, die schlecht betellten, vielleicht umzu-
pflügenden Stücke, die garnicht besäten Stücke der Winter-
— 30 —
felder mit Sommergetreide zu besäen? Und was ist endlich .
die Folge für das Jahr 1806 und 1807? Kann sie anders
sein, als noch grössere Teuerung? Vielleicht Hungers-
not?" ....
Der wirtschaftliche Ruin unserer Provinz war indes'
nicht mehr aufzuhalten, er wurde noch beschleunigt durch
den Krieg von 1806 und 1807. Wie schwer Ostpreussen
damals gelitten, und wie dies ohnehin schon arme Land
infolge der Kriegsereignisse bis aufs Mark ausgesogen
wurde, ist allgemein bekannt. Die folgende Zusammen-
stellung der Leistungun von Angerapp an Fuhrwerken zum
Fouragetransport vom Januar bis Ende April 1807 giebtein
klares Bild von dem Umfang, in dem eine einzelne Be-
güterung zu den Kriegslieferungen herangezogen wurde,
und von der Härte, mit der man gegen Säumige verfuhr.
Am 9. Januar wird von dem Kriegskontributionsamt
Insterburg die Gestellung von 50 Fuhren zum Transport
des Magazins von Darkehmen nach Drengfurt zum
12. Januar verlangt. Amtmann Laddey 1 ) macht geltend,
dass die Güter so viel Angespanne nicht besitzen, dass
mehrere Wagen mit Fourage nach Nikolaiken gefahren
und dass am 11. Januar ferner 6 Fuhren mit Fourage
von Angerapp abgehen. Ungefähr 20 Schlitten könne er
stellen. Diese Requisition wurde zwar zurückgenommen,
indes schon am 13. Januar das gesamte Angespann der
Güter zum Fouragetrausport nach Insterburg herangezogen,
so dass einer Aufforderung, am 15. ca. 14 Fuhren zum
Brottransport nach Barten zu stellen, nicht nachgekommen
werden konnte.
Am 17. Januar stellt Angerapp nach Tapiau 15 Fuhr-
werke zum Mehl- und Hafertransport nach Ragnit. Wegen
dieser Fuhrgestellung wird nicht die mindeste Widerrede, im
Gegenteil die pünktlichste und genaueste Befolgung erwartet.
Am 21. Januar gehen 24 Fuhren mit Fourage von
Darkehmen nach Bartenstein.
Am 25. Februar verlangt der Magistrat zu Anger-
burg sogar 100 Fuhren, da der zur Fortschaffung des
hiesigen Magazins kommandierte russische Offizier bereits
eingetroffen sei. Der brave Amtmann Laddey erklärt,
dass das Dominium die von dem Angerburger Magistrat
1) Angerapp war seit 1791 für eine jährliche Pacht von
3800 Thlr. verpachtet.
— 31 —
geradezu ohne allen Massstab verlangten 100 Fuhren nicht
stellen könne; 7 Schlitten seien unterwegs nach Rössel
und Guttstadt; doch wäre er bereit, 14 Schlitten zu stellen,
sobald ihm eine Königl. Kammerverfügung mitgeteilt
würde, nach welcher die Magistrate befugt seien, über
das Angespann der adligen Güter zu disponieren.
Am 18. Februar gehen 10 Fuhren von Darkehmen
nach Gumbinnen,
am 20. Februar 10 Fuhren von Darkehmen nach
Nordenburg.
Am 8. März stellt das Gut 15 Fuhren zum Fourage-
transport von Norkitten nach Königsberg. Von dem
Kontributionsamt wird darauf aufmerksam gemacht, dass
eine Verproviantierung auf 8 Tage notwendig erscheine,
und dass keine Einwendungen irgend welcher Art ge-
machtwerden können, „sonst die Renitenten gleich durch mili-
tärische Hilfe und körperliche Züchtigung zur Befolgung
dieses Befehls von Hause werden ausgetrieben werden. "
Zum 15. März werden 14 Schlitten nach Insterburg ver-
langt zum Transport des für russische Rechnung dort ange-
kauften Hafers nach Schippenbeil. Jetzt sollen auch nicht die
allergeringsten Einwendungen gemacht werden, im Gegenteil,
die ausbleibende Güter haben zu erwarten, dass ein russisches
Exekutionskommando sogleich daselbst eintreffen und die
Rückständigen mit Gewalt zu ihrer Schuldigkeit anhalten wird.
Am 30. März stellt Angerapp zum Transport der
aus Russland angekommenen Naturalien von Muldzen 1 ) nach
Schippenbeil 14 vierspännige Wagen.
Am 7. April gehen 7 vierspännige Wagen mit Futter
auf 4 Tage versehen, von Muldzen nach Bartenstein.
Zum 23. April werden 3 und zum 24. April 7 vier-
spännige Fuhren zum Fouragetransport von Muldzen nach
Bartenstein verlangt unter ganz besonders eindringlicher
Androhung von schweren Strafen bei Nichteintreffen des
Angespanns. „Ein russisches Dragonerkommando wird die
Säumigen mit Strenge sogleich von Hause austreiben."
. Auch Beynuhnen hatte schwer unter den Fuhr-
gestellungen und den Fouragieruugen, namentlich der
russischen Armee zu leiden. Im Mai 1807 wird der trost-
lose Zustand der Güter in einer Eingabe des Pächters
1) Muldzen 44 km Luftlinie von Angerapp in der Nord-
spitze des Gerdauer Kreises.
— 32 —
Hinz an die Kriegs- und Domänenkammer zu Gumbinnen
geschildert: „Schon 23 Pouragierkommandos der russischen
Truppen haben in den hiesigen Gütern fouragiert und
nicht allein alles Saatgetreide an Hafer und Gerste,
sondern auch alles Heu und sogar den grössten Teil
Koggen mit Gewalt genommen, weshalb nicht nur die
Sommerfelder unbesät bleiben müssen, sondern auch
Hungersnot in dieser Gegend entstehen muss. Durch die
vielen Durchmärsche und Einquartierungen sind die In-
sassen dergestalt ausgezehrt worden, das solche schon
jetzt weder Brot noch Kartoffeln haben und ganze Familien
schon aus dem Hofe gefüttert werden müssen, welches
nunmehr aber auch bald aufhören wird, da die Fouragierer
uns so wenig gelassen haben, dass der ganze Vorrat
höchstens noch auf 14 Tage reicht."
Es liegt auf der Hand, dass die Pächter von Gütern,
die derartig ausgesogen waren, die Pachtsumme nicht
entrichten konnten. Der Ausfall dieser nicht unerheblichen
Einkünfte war für Kriegsrat von Farenheid ein harter
Schlag; gänzlich erschüttert wurden seine pekuniären Ver-
hältnisse durch das Fallissement vieler Häuser, welche
die bedeutendsten Summen von ihm entlehnt hatten. Er
war um die Mitte des Jahres 1809 völlig ruiniert und
musste den flüchtigen Fuss nach Polen setzen, wo er sich
in Orlowo bei Inowrazlaw, einem seiner Schwägerin, der
Kriegsrätin von Gerlach gehörigen Gute, bis zur Ordnung
seiner Verhältnisse (1816) aufhielt. Gerade in dieser
schwersten Zeit seines Lebens treten die schönsten Seiten
seines Charakters, sein Gottvertrauen, sein Edelmut, seine
Besonnenheit und vor allem sein ungebrochener Mut am
herrlichsten hervor. Die Energie, mit der er für die
Rettung seines Vermögens kämpfte, ist wahrhaft be-
wundernswert. Zunächst suchte er Hilfe beim Könige.
Bromberg, den 28. Oktober 1809.
,,Der Zustand meiner Schuldner, welche mir nicht
Capitalien, ja grösstenteils auch nicht einmal Zinsen
zahlen, behindert mich, auch meinen Gläubigern ihre
Forderungen zu berichtigen und nötigt mich bei Ew.
Königlichen Majestät um ein mehrjähriges Moratorium
nachzusuchen. Unter meinen ausstehenden Forderungen
befinden sich auch 241,600 Thlr., welche auf Hypotheken
im Herzogtum Warschau ausgethan sind und standen zur
— 33 —
damaligen Zeit sicher. Seit Johann 1806 haben sie wegen
der im November 1806 daselbst entstandenen Unruhen
keine Interessen getragen, und durch das in Warschau
ergangene Edikt vom 25. Januar d. J. ist allen Unter-
thanen des Herzogtums Warschau bei Strafe doppelten
Ersatzes untersagt, weder Interessen noch Capitalien an
Ew. Kgl. Majestät Unterthanen zu bezahlen, ehe und
bevor die Deposital Angelegenheiten zwischen Ew. Kgl.
Majestät und dem Herzoglich Warschauischen Staate
reguliert sein werden.
Da nun Ew. Kgl. Majestät Bank noch ein grösseres
Capital von mir zu fordern hat, und ich nicht im stände
bin, bei dieser plötzlichen Veränderung der Verhältnisse
die Interessen zu bezahlen, so muss ich Ew. Kgl.
Majestät unterthänigst bitten:
1. den Behörden des Deposital-Regulierungsgeschäfts
allergnädigst aufgeben zu lassen, dass sie meine auf den
im Herzogtum Warschau liegenden Hypotheken einge-
tragenen Schulddokumente mit Einschluss der davon
restierenden Zinsen den Behörden des Herzogtums
Warschau in Zahlung anweisen und geben,
2. den vorgesetzten Behörden der Bank, dass sie
der Bank auftragen, diese 241600Thlr. an meiner Schuld
jetzt abzuschreiben und mich von der Zinsenzahlung zu
entbinden; sobald das Deposital-Regulierungs-Geschäft
wirklich realisiert wird, die den Behörden mit in Zahlung
I anzuweisenden Zinsen zu 6% seit Johann 1806 nach Ab-
zug der der Bank gebührenden Zinsen zu 5 °/o mir auf
meine Capitalschuld abzuschreiben,
3. Allerhöchstdero Landgericht endlich dahin anwei-
sen zu lassen, meinen Angelegenheiten eine solche Leitung
zu geben, dass meine Creditores, Debitores und ich selbst
konservieret werden, ohne darauf Rücksicht zu nehmen,
wenn ich vielleicht in der Formalität meiner Proceduren
[gefehlt haben sollte, indem ich hier keine Rechtsgelehrten
habe zu Rate ziehen können.
Ist es möglich, dass meine Bitte gewährt werden
könne, so traue ich Ew. Kgl. Majestät Gnade die huld-
reiche Erfüllung derselben zu, sowie mich auch die zu-
trauensvolle Hoffnung belebt, dass Ew. Kgl. Majestät
gnädigst darin einzuwilligen die Gnade haben werden,
dass, solange bis alle diejenigen, welche von mir etwas
billig zu fordern haben, befriedigt sind und ich jedem mit
Gegenden in ohnbemerkter Stille aufhalten dürfe."
Aus jenen Tagen datiert auch der merkwürdige
Brief, in dem er seinen Sohn 1 ) über seine Vermögenslage
aufklärt.
Orlowo, den 19. Nov. 1809.
Mein lieber Fritz!
Wenn du diesen Brief erhältst, so wird dich Onkel
S. von meiner Vermögenslage schon unterrichtet haben.
Durch den Krieg habe ich die Hauptrevenüen meines Ver-
mögens eingebüsst. Dieser Ausfall hat mich genötigt, bei
dem Oberlandesgericht ein mehrjähriges Moratorium nach-
zusuchen. Manches Capital wird verloren gehen, und es
fragt sich, ob und wieviel mir noch bleibt. Um dich thut
es mir leid, doch habe ich, so viel es in meinen Kräften
war, für dich gesorgt.
Ich brauche sehr wenig und geniesse hier mehr als
ich bedarf. Du. mein lieber Fritz, hängst auch nicht am
Reichtum, der oft mehr Beschwerde als Vergnügen mit
sich führt und keinen reellen Genuss gewährt als andere
zu unterstützen und fortzuhelfen. — Falls der König und
das Oberlandesgericht meinen Bitten und Vorschlägen
Gehör geben, bleiben alle meine Beamte auf ihren Posten
und in ihrem Brot. Die Pächter können nicht aus ihren
Pachten ohne die ihnen im Contrakte zugesicherte Ab-
findung gesetzt werden. Für die T. und J. ist gesorgt,
dass sie ihre gewohnten Leibrenten erhalten. Die Do-
mestiken werden von Esebeck so lange unterhalten, als es
nötig ist. Hierauf habe ich bei der Regulierung des Pacht-
quantums Rücksicht genommen. Den Koch und meine
liebe ehrliche K. und ihre kleine gebrechliche Lotte, so-
wie die ganze Familie v. R. überlasse und empfehle ich
deiner Fürsorge.
Ein neuer Beweis von der Eitelkeit aller mensch-
lichen Pläne und Grösse! Ich gehe mit meinem Vater-
lande in einerlei Verhältnis. — Verlöre niemand etwas
1) Friedrich Heinrich Johann von Farenheid-Angerapp,
geb. den 11. März 1780 in Königsberg, gest. den 28. Februar 1849
in Steinort. Er hatte bereits am Anfang des Jahres 1808 die
Angerapper Begüterung für einen Erwerbspreis von 75000 Thlr.
,,in Rechnung des zu erwartenden paterni" übernommen.
— 35 —
durch mich an seinem Vermögen oder von seinen Hoff-
nungen, oder auch niemand eine gewohnte Unterstützung,
so würde ich mein Verhängnis wenig fühlen.
Hier bleibt uns vieles rätselhaft, worüber wir dorten
einen Aufschluss erbalten werden. — Ich bitte nur um
Geduld und bin gewiss: der gute Gott werde nicht mehr
auferlegen, als unsere Schultern zu tragen fähig sind.
In jeder Lage dein liebender Vater
Farenheid.
Schon am 7. November Hess ihm der König durch das
Finanzministerium mitteilen, dass ein General-Moratorium
nach Vorschrift der Gerichtsordnung auf länger als drei
Jahre oder auf unbestimmte Zeit nur dann bewilligt wer-
den könnte, wenn keiner der Gläubiger einem solchen
Antrage widersprechen sollte, von Farenheid machte in
einer Eingabe an diese Behörde geltend, dass, falls einer
oder mehrere seiner Wechselgläubiger die Besserung der
Zeiten und die Vermehrung des cirkulierenden baren
Geldes nicht abwarten, sondern dem verlängerten Mora-
torium widersprechen sollte, sowohl diese wie die übri-
gen Gläubiger verlieren müssten. „Auf mich selbst will
ich keine Rücksicht nehmen," fährt er fort, „denn ich
finde das Entbehren, Abhängig sein und sein Brot Ver-
dienen nicht schwer. Ich glaube aber, dass die Ereig-
nisse der letzten drei Jahre, der Ruin des Landes durch
Krieg, Viehseuche etc., die ausserordentliche Entleerung
desselben von barem Gelde, der gänzlich, teils von selbst
stockende, teils von aussen gesperrte Handel, das aus
diesen Ursachen gänzliche Stocken aller Nahrungszweige
seinen nachteiligen Einfluss so allgemein und ausserordent-
lich verbreitet, dass die höheren vorgesetzten Behörden
durch diese allgemeine Krankheit des Staates sich be-
wogen finden dürften, auch ausserordentliche Mittel zu
dessen Erhaltung und Heilung anzuwenden. Dass Seine
Königl. Majestät Allerhöchstselbst oder Allerhöchstdero
Finanzministerium die 241600 Thlr. nicht auf die Forde-
rung der Bank annehmen zu können sich erklären, muss
ich mit Stillschweigen hinnehmen und die Folgen über
mich ergehen lassen; dass aber dadurch das ganze Ver-
hältnis meiner Gläubiger und Schuldner eine iür uns
wichtige, aber sehr verschlimmerte Gestalt annehme,
— 36 —
dass ich unschuldig an diesem grossen Verluste sei, . .
ist eine Sache, die keiner Erörterung bedarf." (Inowrazlaw
d. 2. Dezember 1809).
Noch einmal wandte sich von Farenheid unter ge-
nauer Darlegung seiner Verhältnisse an den König. „Ew.
Königl. Majestät Gesetze haben die Tendenz, die Ordnung,
Gerechtigkeit, Sicherheit und Glück Allerhöchstdero Unter-
thanen im gewöhnlichen Gange der Dinge zu schützen und
zu befördern. Der Krieg und dessen Folgen, das ist:
gänzliche Stockung aller NahruDgszweige, ein gänzliche
Entleerung des Staates von aller baren Münze sind da-
gegen solche ausserordentliche Ereignisse, dass es wohl
einer Rücksicht bedarf, ob im gewohnten Gange der
Dinge das Ganze oder dessen einzelne Teile erhalten
werden dürften. Diese Überzeugung treibt mich Ew.
Königl. Majestät nochmals allerunterthänigst um eine An-
weisung an Allerhöchstdero Oberlandesgericht zu bitten:
alle diese veränderten Umstände in Aufmerksamkeit zu
nehmen und die Sache so zu leiten, dass der Verlust
eines jeden meiner Kreditors abgewendet, meine Debitores
nicht umgeworfen werden und mir selbst, falls es sein
kann, etwas übrig bleibt. Das letztere ist wahrlich der
letzte Zweck meines allerunterthänigsten Gesuches, denn
ich berufe mich auf das Zeugnis des ganzen Publikums,
dass ich niemals von meinem Vermögen einen Anwand
gemacht habe, der auf Verschwendung und üppigen Ge-
nuas seine Richtung genommen. Aber bis ins Grab würde
es mich kränken, wenn irgend jemand etwas an mir oder
durch mich verlöre, was er nach Gerechtigkeit zu for-
dern und von mir nach Billigkeit zu erwarten hat. Die
allerhuldreichst mir erteilte Erlaubnis mich bis zur Been-
digung meiner Angelegenheit ausserhalb Landes auf-
halten zu dürfen, erkenne ich mit dem ehrerbietigsten
Danke an."
Welchen Erfolg von Farenheid mit dieser noch-
maligen Eingabe erzielte, geht aus dem noch vorhandenen
Aktenmaterial nicht hervor; so viel zeigt aber der ganze
Verlauf der Regulierung seiner Vermögensverhältnisse,
dass ihm weder von Seiten irgend einer Behörde, noch
durch einen ungeduldigen Gläubiger Schwierigkeiten in
den Weg gelegt wurden.
Gegen Ende des Jahres 1809 wurde er durch das
Oberlandesgericht angewiesen, sich einen Generalbevoll-
— 37 —
mächtigten zu ernennen. In seiner Anzeige, dass er dem
Kriminalrat Krieger die Vollmacht zur Regulierung seiner
Angelegenheiten erteilt habe, bricht der verhaltene Unmut
über sein unverschuldetes Los wieder hervor. „Wenn aber
»der Staat mir nicht die gebührenden, verheissenen Ver-
gütungen der verschiedenen Lieferungen an preussische
und russische Truppen zukommen lässt und die Verhält-
nisse hebt, welche den Arrestschlag auf meine im Herzog-
tum Warschau ausstehenden Forderungen nach sich ge-
zogen hat, so muss ich der Allgewalt erliegen."
In dem Promemoria über das Verhältnis seiner
Schulden und Forderungen und in der Instruktion für
seinen Bevollmächtigten weist er diesen ausdrücklich da-
rauf hin, dass der Zweck seines Auftrages sei, gegen die
Schuldner, an deren guten Willen man nicht zweifeln
könne, die äusserste Milde walten zu lassen, Unterhand-
lungen mit ihnen anzuknüpfen, aber kein gerichtliches
Verfahren einzuleiten. Alle3 was eingeht, soll seinen
Gläubigern gehören. „Ich brauche für mich sehr wenig
und habe nie am Gelde gehangen. Es wird auch niemand
auftreten, der mich einer Verschwendung beschuldigen
wird; ich habe mir viel versagt und versage mir jetzt
noch mehr; ich lasse mir nicht einen Groschen aus
Königsberg kommen, sondern wende alle dort nur beizu-
treibenden Interessen und Pachten an, um jedem richtig
Interessen zu zahlen." (Orlowo, den 28. August 1810).
Als Belohnung für seine Mühe stellt er Justiz-Kommissarius
JMeger 2000 Thlr. Jahresgehalt in Aussicht und verspricht
ihm eine Entschädigung von 10000 Thlr., wenn ihm die
Ordnung seiner Verhältnisse gelingen sollte.
Nur zwei Jahre vertrat Justizrat Krieger die In-
teressen von Farenheids. Bereits am Anfang 1812 über-
nahm Regierungsrat Kobligk aus Gumbinnen diese
schwierige Aufgabe. Ursprünglich hatte von Farenheid
die Absicht, seinem Sohn Fritz die Generalvollmacht zu
übertragen, nahm aber davon Abstand aus Gründen, die
sich aus nachfolgenden Briefen ergeben.
Angerapp, den 29. Febr. 1809.
Mein herzlich und innig geliebter Vater!
Durch Ihren Brief vom 16. Februar haben Sie mich sehr
glücklich gemacht. Die vielen Äusserungen Ihrer Zuneigung
— 38 —
beweisen nicht allein, dass Sie mich lieben, sondern (täusche,
ich mich nicht) es scheinet, dass Ihre Liebe gegen mich!
beständig in der Zunahme ist. "Wir sehen ja so gerne!
unsere Wünsche in der Erfüllung, und was kann meinem!
Herzen wohl lieber sein, als in dem Ihrigen eine sicheret
Wohnung für mich zu wissen. 0, mein bester Yater, nie!
sind die Bedürfnisse unseres Gefühls dringender, als wenn]
wir uns in das tote Geschäftsleben verwickelt sehen und auf ]
das fatale Leere desselben unseren Blick werfend nichts!
als unnützes Streben des Egoismus oder närrische Ge-|
winnsucht, nichts als List, nichts als Behutsamkeit undj
übel angewandte Klugheit erblicken. Wenn ich Ihre j
herzlichen Bitten zu Gott lese, diese wirklich glücklich!
machenden Wünsche des Vaters für das Wohl seiner!
Kinder, dann stellt sich mir das gehässige Getreibe dieses!
Lebens in seiner grellsten Gestalt vor Augen. Glauben!
Sie mir, mein bester Vater, dass sich während dieses!
Schreibens tausend Ideen durchkreuzen, die alle einen!
widrigen Eindruck auf mich machen. Geschäfte, die das!
Mein und Dein betreffen, haben mich von je her ange |
ekelt . . . Nur der Gedanke, es muss entschieden werden, . . .1
nur d,er sehnliche Wunsch, meinen guten Vater von den!
Fesseln entledigt zu sehen, die ihn so weit zurückhalten,!
ihm die Ruhe seiner späteren Tage zu gewähren, erlaubt
mir nicht den Bogen abspannen zu lassen, obgleich sich
bei der Nähe der Entwicklung dieses Planes immer mehrt
Schwierigkeiten zeigen. Sie wollen, mein Teurer, mir diel
Generalvollmacht übergeben, und ich soll Kobligk subfl
stituieren. Das war Kobligks Plan, den ich aber ver-*|
werfen musste. Ich stehe natürlich in zu genauer Ver-I
bindung mit Ihnen; dies würde mir Argwohn zuziehen m
aber vorzüglich würde die Hauptwirkung verloren gehenÄ
indem ein Dritter schlechterdings alle Pfeile auf sich ziehen
und wieder von sich schiessen muss. Und endlich binJI
ich garnicht der Mann, der monieren und negotiierenj
kann ... Da Kobligk der Mann ist, so lassen Sie ihn dieJ
Heeresfahne führen. Überzeugt, dass keine Zeit zu ver-4
lieren war, indem meine Verbindung mit ihm eclat wurde,
bat ich ihn, zum Geh. Staatsrat Schoen zu gehen, um von
diesem Urlaub zu erbitten. Schoen mit seinem gewöhn-
lichen Überblick und seiner feurigen Teilnahme ergriff
die Sache mit Wärme, versprach die wirksamsten Schreiben
an den Staatskanzler, um gleich für Kobligk Urlaub aus-
— 39 —
zuwirken, schilderte den charakterlosen Staegemann, 1 ) der
von dieser Sache bis zur Entscheidung nichts wissen
müsse, fügte hinzu, dass dem Staat an Ihrer Vermögens-
lage viel gelegen sei, und sagte, er wolle es zur Staats-
sache machen. Dadurch ist viel gewonnen; dadurch ist
die Sache aber auch zur Explosion gebracht. — Nach
meiner Meinung bleibt nun nichts übrig, als dass Sie
Kobligk nur die Vollmacht schicken . . . Soweit, bester
Vater. Gott gebe, dass wir uns in einem Monat weiter
nicht über die leidigen Geldgeschichten unterhalten . . .
Habe ich nur Popiollen für Sie ins besondere, so bin ich
zufrieden. Eine starke Gesundheit wünsche ich Ihnen,
da Sie den Frieden des Herzens schon naben, und ver-
harre lebend und tot Ihr Sie innig liebender und hoch-
schätzender
Sohn Farenheid.
Angerapp, den 1. März 1812.
Mein bester Vater!
Ungleich schneller, als ich's vermuten konnte, segelt
das Schiff, obgleich ich dem rastlosen Schoen, wenn er
Bich für eine Sache interessiert, keine Ruhe zutraute.
Da Schoen die Sache ergriff, so schrieb ich vor drei Tagen
an Kobligk, dass er wegen der Publicität, die dieser
Mann dem Geschäft gäbe, sich dessen nur unterziehen
solle, worauf er erwiderte, schlechterdings erst Ihre Voll-
macht abwarten zu müssen. Gestern lässt Geh. Staatsrat
Schoen Kobligk zu sich rufen und sagt: Sie müssen so-
gleich mit der Bitte um Dispensation vom Officio ein-
kommen, um das bewusste Geschäft zu übernehmen, denn
jetzt stehe ich auf dem Fusse mit Hardenberg, dass er
mir nichts abschlagen wird, und der günstige Augenblick
kann bald vorüber sein .... Nun hat Schoen den An-
trag schon abgeschickt und, wie er sagt, darauf ange-
tragen, dass Ihr Bevollmächtigter von dem König
unmittelbar autorisiert werde, das Geschäft zu führen.
Schoen sagt, dies müsse sein, denn dadurch würden Sie
und der Bevollmächtigte nicht allein der Staatskontrolle
1) Geheimer Staatsrat Staegemann war damals Chef der
Bank in Berlin.
— 40 —
überhoben, sondern Ihre Person wäre dadurch gegen alle,
Angriffe gesichert. Das wäre der grösste Gewinn . . I
Ihr Sie innig liebender Sohn
Farenheid.
In dem Juni 1812 vereinbarten Kontrakt sicherte
Kriegsrat von Farenheid dem Regierungsrat Kobligk ein
Jahresgehalt von 2000 Thlr. und die Erstattuüg sämtlicher
baren Auslagen zu. Ferner sollte Kobligk berechtigt sein,
sich aus der ganzen Masse ein Kapital von 25000 Thlr.
zu sichern, und diese für sich als Belohnung seiner Arbeit
und Entschädigung für die Entsagung auf den Posten im
Königlichen Dienst zu nehmen. „Meine Herren Gläubiger
werden um so weniger diese Festsetzung der Remuneration
missbilligen, als Herr Regierungsrat Kobligk ihnen unfehl-
bar nachweislich machen wird, dass während seiner
Administration und durch seine Bemühungen die Masse nicht
verschlechtert, sondern zu ihrem Vorteil verbessert ist."
Regierungsrat Kobligk widmete sich seiner Aufgabe
mit einem wahren Feuereifer. Noch in demselben Jahre
hatte er ein genaues, spezialisiertes Verzeichnis der Ver-
mögensverhältnisse von Farenheids aufgestellt und er-
möglichte so einen klaren Überblick über die ganze Ver-
mögenslage.
1. Das Verzeichnis der ausstehenden persönlichen
Forderungen giebt an 1 )
a) gute und sichere Forderungen 108000 Thlr.
b) zweifelhafte Forderungen. . 65000 „
c) nicht einziehungsfähige Forde-
rungen 135000 „
2. Die Forderungen auf hypothekarische
Dokumente bestanden in
a) guten und sicheren .... 116000 „
b) zweifelhaften 143000 „
c) nicht einziehungsfähigen . . 16000 ,,
3. Der Kapitalwert der fast 90 000 Morgen
grossen Begüterung 2 )stellte sich auf ca. 1250000 ,, 3 )
1) Ich habe bei der folgenden Übersicht die Zahlen sämtlich
nach unten abgerundet.
2) Die Herrschaft Flatow nicht eingerechnet.
3) Ein Verzeichnis der Passiva ist damals nicht angefertigt.
1809 betrugen dieselben über 460000 Thlr.
— 41 —
Die Güter werden in dem Verzeichnis in 4 Gruppen
reteilt.
a) Beynuhnen 376000 Thlr.
b) Gnie 243000 „
c) Eiser wagen 258000 „
d) Nagurren 57000 „
Dazu kommt der Kapital wert der Forsten. 319000 „
Ich gebe an dieser Stelle eine genaue Übersicht
iber die damals dem Kriegsrat von Farenheid gehörigen
Besitzungen und habe das Jahr des Kaufs und den Kauf-
preis hinzugefügt.
Die Beynuhner ßegüterung hatte Kriegsrat von
farenheid 1798 von der Gräfin Anna Sophie Charlotte von
Dönhoff gekauft. Sie bestand aus drei Stücken:
1. Unter der Jurisdiktion des Kgl. ostpreussischen Hof-
gerichts zu Insterburg standen die Vorwerke
Kl. Beynuhnen, Milchbude, Wollehlen, Auerfluss,
Sunkeln, Oschnagorren, Jurgutschen und das Dorf
Thalau. Kaufpreis 100000 Thlr.
2. Unter der Jurisdiktion des Kgl. Erbhauptamtes zu
Gerdauen und Nordenburg standen die Vorwerke
Mikalbude, Medunischken, Angerau und die Dörfer
Medunischken, Gr. und Kl. Sobrost, Sauskoyen,
Kowarren, Skirlack, Fritzendorf nebst Ziegelei
und Gr. Beynuhnen. Kaufpreis 115000 Thlr.
3. Die Dombrowker Güter, bestehend aus den Vorwerken
Dombrowken nebst Ziegelei und Vorwerk Rosenau
und die Dörfer Rossossen und Kermuschienen.
Kaufpreis 78000 Thlr.
Die Gnie er Güter umfassten die Vorwerke Gr. und
Kl. Gnie und Neusorge, die Dörfer Christophsdorf,
Lehnkendorf, Dwilinnen, Friedrichsfeld und den Birkenkrug.
Sie waren bis zum Jahre 1777 im Besitz des Kapitäns Jacob
Friedrich von Hoffmann gewesen und gingen nach dessen
Tode auf Frau Kammerdirektor von Boerstell 1 ) über. Diese
cedierte 1778 ihrem Schwestersohn Kriegsrat Farenheid
die Besitzung für 42000 Thlr.
Neu-Astrawischken, bestehend aus den Vorwerken
Neu-Astrawischken , Reimerischken, Trenkensruh, den
Bauerndörfern Bokellen und Petrellen und dem Grenz-
1) Vergl. Anm. S. 21.
— 42 —
krug, kaufte Kriegrat von Farenheid 1801 von Friedri
Heinrich Wilhelm von Saucken für 60000 Thlr.
Die Graffmauenschen Güter bestanden aus dt
Vorwerk Gr. Mauen und dem Bauerndorf Schneider:
Kriegsrat von Farenheid kaufte sie 1804 von Fr;
Friederike Amalie von Pfuhl, geb. Eeichsgräfin v<
Schlieben für 35000 Thlr.
Eiserwagen, bestehend aus den Vorwerken Gr. ui
Kl. Eiserwagen, Damerau, Richau Kiehnenbruch, Maue '
Hansenhof, Trilinde, den Dörfern Wittenberg und Schö I
rade und dem kölmischen Gut Eschenbruch, kaufte
1792 von Hauptmann Ferdinand von Knobloch fi
80000 Thlr.
Koppe rshagen umfasste das Vorwerk Koppershage)
das ßauerndorf Potawern und den Heidekrug und wurc
1805 von den Erben der verstorbenen Frau Majorin Je
hanna Gottlieba von Proeck, geb. von Egloffstein, fi
56690 Thlr. gekauft.
Zu Launicken gehörten die Vorwerke Launickei
Neusorge, Friedrichsfelde, Jurgutschen, die Dörfer Lar
nicken, Eszergallen, Grutteln, Kl. Urnen und der Kru
Sobiechen. Die Begüterung wurde 1802 mit 75500 Thli
bezahlt.
Nagurren, bestehend aus den Vorwerken Nagurren
Glashütte, dem Dorf Starnowen und den Steinorter Wiese
wurde 1793 für 21500 Thlr. gekauft.
Diesen ganzen Güterkomplex bot nun Regierungsra -
Kobligk im Auftrage von Farenheids dem Prinzen Ferd:
nand 1 ) für einen Preis von 1200000 Thlr. zum Kauf a
und stellte dem Käufer bei der vorgeschlagenen Art de:
Zahlungsbedingungen (200000 Thlr. in ostpreussische)
Pfandbriefen, 700000 in Bankobligationen, 300000 bar
nach dem damaligen Curs der Papiere noch einen gan:
erheblichen Gewinn in Aussicht. Der Prinz beschied ihi
abschlägig mit der Begründung, dass „bei den jetzigei I
Zeitläufen der Ankauf von so bedeutenden Gütern aui
keine Weise ratsam sei."
Schon im nächsten Jahre (1813) trat Kobligk wiedei
in den Staatsdienst zurück, so dass sich Kriegsrat von Faren
1) Prinz August Ferdinand f 1813, jüngster Sohn Friedrichj
Wilhelms L, Vater des bei Saalfeld gefallenen Prinzen Louis
Ferdinand.
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,d genötigt sah, wieder Justizkoinmissarius Krieger mit
t Wahrung seiner Interessen zu betrauen; ihm sollte
stfiskal Weger zur Seite stehen. Doch schon 1815
Ertrug er die Vollmacht auf Justizkoinmissarius Kohl-
jf, der nun bis zu seiner Rückkehr nach der Heimat
*en Schluss des Jahres 1816 sein Vertreter blieb.
Erst damals ermöglichte der Zustand seiner Schuld-
rbindlichkeiten seinen dauernden Aufenthalt in Preussen.
inen Wohnsitz nahm von Farenheid von jetzt ab in
ynuhnen, wohin er schon vor der Flucht nach Polen im
hre 1807 bei der bevorstehenden Übernahme der An-
rapper Güter durch seinen Sohn übergesiedelt war.
Der Verkauf seiner Besitzungen im Gerdauer und
fvehlauer Kreise nahm während der nächsten 10 Jahre
ine ganze Arbeitskraft in Anspruch. Es gelang ihm
<Jich allmählich seine Güter bis auf Beynuhnen, Dom-
fowken, Mauenwalde und Glashütte zu verkaufen. Frei-
en scheint er bei der Festsetzung des Preises weniger
einen eigenen Vorteil als den des Käufers gewahrt zu
jüben; denn es ist eine bekannte Thatsache, dass der
jäufer eines der grössten Güter den gezahlten Kaufpreis
La dem Abtrieb der dazu gehörigen Waldungen nach
jenigen Jahren wieder einbrachte. 1820 verkaufte er die
Herrschaft Flatow an den König.
So hatte der hartgeprüfte Mann aus den Trümmern
Änes Vermögens einen immerhin noch bedeutenden Be-
[tz gerettet, an dessen Verbesserung er bis in sein hohes
irreisenalter mit nie ermattender Thatkraft arbeitete,
r Seine letzten Tage waren dunkel, aber nicht trübe ;
pin Augenlicht war erloschen, aber sein reger Geist
fbeitete weiter und fast bis zur Todesstunde diktierte er
albst seine Briefe und unterzeichnete sie eigenhändig.
Er starb, 88 Jahre alt, am 7. September 1834 in
Jeynuhnen und ist im Angerapper Mausoleum beigesetzt.
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